Künstliche Intelligenz – Potentiale und Hürden in der Anwendung

Künstliche Intelligenz – Potentiale und Hürden in der Anwendung

Der Begriff „Künstliche Intelligenz (KI)“ kann, je nach sozialer Prägung, bei jedem Leser oder Leserin eine andere Assoziation auslösen. Je nach Alter, Interessen oder auch technischer Begeisterung kann sich der ein oder andere an unterschiedliche Computerspiele, Filme oder auch Bücher mit verschiedenen Arten an KI aus seiner Kindheit erinnern. Somit tragen Science Fiction oder allgemeiner die Kulturindustrie jeder Dekade ganz eigene Bilder artifizieller Intelligenz: Ob wir an das sprechende Auto „KITT“ aus der Knight Rider, selbst steuernde Raumschiffe oder humanoide Roboter, wie „Data“, aus der Serie Star Trek oder an künstlichen Neuronalen Netzen (KNN), Deep Learning (DL) oder ChatGPT als Large Language Model (LLM) denken, kann man nur schwer, durch aufwendige Umfragen oder persönliche Gespräche herausfinden. In vielen Narrativen unserer Gegenwart kommt noch die Tendenz einer globalen Dominanz hinzu, die Seitens autonom agierender Roboter, Programme oder Netzwerke ergriffen oder zumindest angestrebt wird. Dies mag einen Grund in der steigenden Verbreitung smarter Geräte und der umfassenden Digitalisierung sowie der Abhängigkeit unserer Alltagsroutinen von diesen Technologien haben. All diesen Bildern der Künstlichen Intelligenz ist dabei gemein, dass sie zu der realen Version nur überschaubar viele Parallelen aufweisen.

In der banalen Wirklichkeit verliert die KI zwar viel von den popkulturellen Etiketten zwischen Idealisierung und Dämonisierung, sie gewinnt aber zugleich an praktischen Nutzen. Um zu verstehen, was Künstliche Intelligenz ist, worin ihre Potentiale und Schwächen im Allgemeinen wie im Besonderen liegen und was letztlich ihr Nutzen ist, muss also zunächst von den Zerrbildern Abstand genommen werden, auch wenn sie sich durchaus als Einstieg in Ausführungen wie diese eignen.

Künstliche Intelligenz (KI)

Künstliche Intelligenz lässt sich am ehesten als ein Werkzeug beschreiben, das bei der Verarbeitung von Daten den Menschen Hilfestellung leisten soll. Der Bereich der KI ist eine Untergruppe aus dem Forschungsgebiet des Maschinellen Lernens (ML). Beide Begrifflichkeiten lassen sich meist nicht scharf von einander trennen und gehen fließend in einander über. Für beide Themenkomplexe kann jedoch gesagt werden, dass in der Vergangenheit die Herausforderungen in den Fragestellungen „Wie komme ich an Daten?“, „Welche Sensoren kann ich einsetzen?“ oder „Wie kann ich diese Daten auswerten?“ zutreffend waren. Die aktuellen Fragestellungen gehen eher in die Richtung: Wie kann ich diese Mengen an Daten komprimieren, auswerten oder die Entscheidung nachvollziehen? Hier kommen dann Begrifflichkeiten wie z.B. Big Data, Dimensionsreduktions-Algorithmen oder erklärbare KI (englisch explainable artificial intelligence (XAI)) zum Einsatz.

Das Forschungsgebiet der großen Datenmengen (Big Data) ist ursächlich aus der großen Verbreitung an Sensorik oder Informationsquellen entstanden. Heutzutage besitzen fast alle Menschen auf der Welt eine Smart Phone oder PC. Infolge der Möglichkeit, kostengünstige Mikroelektronik oder Sensorik herzustellen, gibt es eine Unmenge an potentiellen Datenquellen, welche die Menschen bei einer Auswertung oder Bewertung überfordern können. Hierfür müssen effiziente und schnelle Algorithmen entwickelt werden, welche es dem Menschen in annehmbarer Zeit ermöglichen, komplexe Zusammenhänge in den Daten zu erkennen und auch verstehen zu können. Die somit entstehenden komplexen Programme sind durch die hohe Rechenleistung in der Lage, Daten maschinell zu erfassen, Muster und Strukturen sowie unter anderem Synchronitäten, Parallelen und Divergenzen von Prozessen zu erkennen und zu verknüpfen. So lassen sich mehr und mehr Informationen aus den großen Beständen an Daten ziehen und für nachlaufende Erklärungen, tiefere Verständnisse des Gegebenen und vorlaufende Abschätzungen der möglichen Zukunft nutzen. Gerade weil die Vermessung unserer Welt durch Sensoren in Geräten z.B. Smartphones oder auch modernen Automobilen immer weiter voranschreitet, wächst ein Fundus an Wissen, der produktiv genutzt werden kann.

Zugleich ist es angebracht, nicht von der einen Künstlichen Intelligenz zu sprechen, sondern dies eher als Sammelbegriff verschiedener, teils recht unterschiedlicher Formen von KI zu verstehen. Künstliche Intelligenz umfasst diverse Verfahren der Datenverarbeitung, die sich für unterschiedliche Kontexte, Fragenstellungen und Materialien eignen. Es verhält sich also so wie bei vielen anderen angewandten Wissenschaften: Es gibt nicht ein generelles Verfahren, sondern verschiedene Ansätze mit unterschiedlichen Charakteristika. Zum Beispiel können KI-Modelle, die sich für Bildererkennung eignen, nicht für Sprachprogramme wie Chat GPT verwendet werden.

Damit ist auch schon eine Schwäche in der Nutzung von KI angesprochen: Nicht alle Modelle eignen sich für jede Anwendung. In anderen Worten muss für die Aufgabe, gerade wenn sie einem speziellen Zweck dient, zunächst das passende Verfahren gefunden und mit passenden Daten angelernt, getestet oder nachtrainiert werden. Die Nutzung der KI-Modelle ist demzufolge keine one-fits-all-Lösung, sondern bedingt einen Anpassungsprozess. Für manche Aufgaben eigen sich z.B. Unscharfe Regelwerke (Fuzzy Modelle), Support Vektor Maschinen (SVM) oder künstliche neuronale Netze, welche sich an der Funktionsweise des Informationsaustausches zwischen menschlichen Nervenzellen anlehnen.

Bilder und Werkzeuge

Die Komplexität dieser Anpassung könnte an Komplikationen bei der Bilderkennung klarer werden, wobei hier noch ein epistemologisches Problem auftritt. Digitale Bilderkennungsverfahren arbeiten mit zweidimensionalen Objekten, denen also die räumliche Tiefe fehlt. Diese muss gewissermaßen als Vorder- und Hintergrund wieder in das Bild hineingelesen werden: Die Dreidimensionalität, die distinkten Objekte und selbst der Fokus müssen demnach erst erarbeitet werden. Was die Programme vor Herausforderungen stellt, ist dem Menschen schon in seinem Zugang zur Welt quasi natürlich gegeben. Gerade weil die eigentliche Objekterkennung und -unterscheidung fundamentale Aufgaben sind, können hier spannende Probleme entstehen: Ein gerne gebrachtes Beispiel ist die aus der Literatur bekannte Methode der One-Pixel-Attack[1]. Hier kann die maschinelle Bewertung durch ein Bilderkennungsalgorithmus, durch die Änderung eines einzigen Pixels in einem Pferdebild zu einer Fehlklassifikation zu ein Frosch führen. Die Funktionsweise der KI-Modelle ist also noch nicht perfekt, auch wenn sich ihre Güte – man denke nur an die Gesichtserkennung von Smartphone-Kameras – in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert hat.

Was meint es nun, von der Künstlichen Intelligenz als Werkzeug in der Industrie zu sprechen? Stellen wir uns einen Produktionsprozess von Plastikteilen vor: Wir haben auf der einen Seite die vielen kleinen Plastikkügelchen am Anfang, die aufgeschmolzen und in eine bestimmte Form gebracht werden, um zum Ende als gefertigtes Teil aus der Maschine entnommen zu werden. Was zunächst wie ein idealer, unendlich wiederholbarer Vorgang erscheint, hängt im Alltag der Produktion von vielen Faktoren ab. Die Erfahrung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit den Maschinen und Materialien ist hier für den Produktionsprozess zentral, und wird es absehbar bleiben. Eine hilfreiche Komponente kann aber zugleich eine Sensorik sein, die unter anderem Parameter wie Temperatur und Druck permanent misst und eine erste Auskunft über die erwartbare Güte der produzierten Teile zum Beispiel durch eine Ampel gibt, bzw. vor wahrscheinlichen Fehlern warnt und Anpassungsvorschläge liefert.  Für solche in den Produktionsprozess integrierten Beurteilungen ist nicht eine Messung entscheidend, sondern ein Zusammenspiel verschiedener Werte und Schwellen sowie unterschiedlicher, teils zusammenhängender Verläufe, wodurch sich dynamische Verarbeitungssysteme wie KI-Modelle anbieten. Moderne Sensoren sind nicht nur hochempfindlich, sie können auch an Punkten angebracht werden, die dem Menschen während der Produktion nicht zugänglich sind. Der Mensch wird hier also nicht ersetzt, sondern durch die Technik unterstützt. In verschiedenen Forschungsprojekten wie z.B.: „Powermoulds“, „Wasabi“ oder auch „SMoSys“ arbeiten Manuel Schneider und Norbert Greifzu aus dem Team der „Eingebetteten Diagnosesysteme (EDS)“ von Professor Andreas Wenzel an solchen Lösungen für eine smarte Industrie und dem Einsatz vom KI an anwendungsnahen Problemstellungen. Die Forschungsgruppe EDS ist Teil einer Hauptforschungsrichtung „Adaptiven Signalanalyse“ der Hochschule Schmalkalden. Interessante Veröffentlichungen der Forschungsgruppe sind:

Literaturverzeichnis

[1]N. Greifzu, M. Schneider, M. Werner, N. Fränzel, A. Wenzel und C. Walther, Bewertung von Produktionsprozessen mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz, 2020.
[2]M. Schneider, N. Greifzu, L. Wang, A. Wenzel, L. Pu und C. Walther, „An end-to-end machine learning approach for time series with varying lengths,“ Neural Computing and Applications, Nr. 10.1007/s00521-024-09473-9, 2024.
[3]H. Siebald, F. Pforte, B. Kulig, M. Schneider, A. Wenzel, M. Schweigel, J. Lorenz, H.-H. Kaufmann, J. Huster, F. Beneke und O. Hensel, „Referencing acoustic monitoring of cutting knives sharpness in agricultural harvesting processes using image analysis,“ Biosystems Engineering, Bd. 226, Nr. 10.1016/j.biosystemseng.2022.12.007, p. 86–98, February 2023.
[4]D. Schneider, M. Schneider, M. Schweigel und A. Wenzel, „Application of various balancing methods to DCNN regarding acoustic data,“ Proceedings 30. Workshop Comupational Intelligence, Nr. ISBN: 978-3-7315-1051-2, November 2020.
[5]M. Schneider, N. Greifzu, C. Walther und A. Wenzel, „Übertragung von anwendungsnahen Problemstellungen des Maschinellen Lernens aus der Forschung in die Lehre,“ Berlin Journal of Data Science, Bd. 1, February 2020.

[1] https://arxiv.org/pdf/1710.08864.pdf

Die Verbindung von Technologie, Ökonomie und Ökologie – Die 15. Schmalkalder Werkzeugtagung

Die Verbindung von Technologie, Ökonomie und Ökologie – Die 15. Schmalkalder Werkzeugtagung

Wie viele andere Bereiche auch ist der Werkzeugbau eine eigene Welt. Zuerst muss natürlich geklärt werden, um was es überhaupt geht: Der Werkzeugbau ist ein Teilbereich des Maschinenbaus, der sich mit der Herstellung von Werkzeugen, zum Beispiel Fräswerkzeugen für die industrielle Produktion, befasst. Dieser Arbeitsbereich erstreckt von verschiedenen Verfahren über unterschiedliche Schneidstoffe, also Materialien der Werkzeuge, bis hin zu Fragen unterschiedlicher Beschichtungen. Einen Eindruck in diesen für sich facettenreichen Bereich konnte man vor Kurzem im Rahmen der „15. Schmalkalder Werkzeugtagung“ am 8. und 9. November 2023 erhalten, die als Kooperation der GFE – Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung Schmalkalden e.V., des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im VDMA und der Hochschule Schmalkalden an eben dieser Hochschule stattfand und zu einer der größten Veranstaltungen dieses Bereichs zählt.

Prof. em. Dr. Konrad Wegener | ETH Zürich

Im Fokus stehen also hochpräzise und zugleich robuste Werkzeuge der industriellen Zerspanungstechnik. Unter das Zerspanen fallen verschiedene Verfahren wie das Drehen, Fräsen und Schleifen, die Werkstücke in eine bestimmte Form bringen. Als beispielhafte Vereinfachung für das Verständnis des Fräsens bietet sich das Bild von Bohrwerkzeugen an, wie wir sie alle aus unseren Bohrmaschinen kennen. Auch wenn wir dabei die Erfahrung unterschiedlicher Qualitäten dieser Werkzeuge sammeln können und sich die Schärfe und der Verschleiß verschiedener Typen nicht unwesentlich unterscheidet, ist der Grad an Belastung in der Produktion der seriellen Industrie um einiges höher.

In Bereichen der Automobil- oder auch Flugzeugproduktion geht es um enorme Stückzahlen und hocheffiziente, optimierte Fertigungsprozesse, in denen der Ausfall oder der Austausch von Werkzeugen hohen Aufwand und hohe Kosten verursachen. Die hier verwandten Werkzeuge müssen also präzise wie verlässlich arbeiten und zugleich robust sein. Hier kann nun die Forschung ansetzen und die Industrie unterstützen: In der Erforschung neuer Methoden und Materialien kann die Funktionsweise optimiert und der Verschleiß minimiert werden, wodurch nicht nur die Produkte besser, sondern auch die Fertigungsprozesse effizienter werden.

Verschiedene Wege, ein Ziel

Moderne Produktionsverfahren sind hochkomplex, was Ansätze der Forschung zugleich kompliziert und diversifiziert: Kurz gesagt kann es den Forschenden nunmehr nur um kleine Bereiche gehen, auf die sie sich spezialisieren. Tagungen haben die Aufgabe, neben einer Leistungsschau der Fähigkeiten und der Vorstellung innovativer Projekte und Ansätze die verschiedenen Bereiche in Kontakt und Austausch über die aktuellen Themen und Herausforderungen ihrer Gebiete zu bringen.

Die Werkzeugtagung wurde nach den Grußworten von einem Vortrag über die Vorzüge des Einsatzes von Lasertechnik anstatt von Zerspanwerkzeugen zur Herstellung von Umformwerkzeugen. Diese Technik ist im Bereich des Werkzeugbaus noch wenig verbreitet, so dass es nun zunächst darum geht, die möglichen Potentiale und Konditionen der Verwendung zu klären. Wie alle Fertigungsverfahren hat auch dieses einen speziellen Einsatzbereich, in dem es sinnvoll ist, auf diese Technik zurückzugreifen. Gerade wenn es um die Herstellung enorm kleiner, filigraner Formelemente geht, bei denen selbst spezielle Mikrofräsmaschinen kaum mehr arbeiten kann, bietet sich der Laser als Alternative zur Zerspanung an. Diese Richtung, der Sinnhaftigkeit und Nutzbarkeit verschiedener Ansätze für unterschiedliche Zwecke prägte die Tagung.

In diesem Sinne wurde auch der Dissens zwischen additiven und subtraktiven Verfahren als letztlich wenig produktiv bei Seite geschoben: Es kann nicht darum gehen, jenes eine, universell anwendbare Herangehen zu finden, den klassischen Stein der Weisen, sondern die Vorzüge und Nachteile unterschiedlicher Methoden für verschiedene Zwecke zu verstehen. Gerade bei hochkomplexen Werkzeugen, die in eher überschaubaren Mengen produziert werden, ist der Rückgriff auf Verfahren wie den 3D-Druck sinnvoll. Dagegen lassen sich hohe Stückzahlen zu geringen Kosten durchaus mit den etablierten Zerspanverfahren realisieren. Letztlich nimmt also kein Teilbereich einem anderen etwas weg, vielmehr ergänzen sie sich in den verschiedenen Herausforderungen der Anwendungsfelder.

Impulse

Auch wenn die Welt des Werkzeugbaus eine eigene ist, so steht sie doch in Kontakt mit der Außenwelt und ihren Entwicklungen. Im Fokus der Tagung standen auch die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung von Künstlicher Intelligenz: Aus Sicht der Praxis ist es weder möglich, auf die Verbesserungen digitaler Lösungen in toto zu verzichten, noch in einen naiven Lobgesang einzufallen, der in der Künstlichen Intelligenz ein Allheilmittel sieht. Die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz bieten im Werkzeugbau und der Optimierung der Produktion nützliche Verbesserungen, die es den verantwortlichen Personen einfacher machen. Genau hier gilt es Mittel und Wege zu finden, die neuen Techniken adäquat zu nutzen und sie in die lernenden Prozesse der Produktion einzubinden.

Eine weitere durchschlagende Veränderung ist der Anspruch der Nachhaltigkeit, der sich in unserer Gegenwart auch dem Maschinenbau als Herausforderung stellt. Diese Aufgabe ist für die Ingenieure aber keinesfalls das sprichwörtliche Neuland, ging es doch schon immer darum, mit Ressourcen wie Rohstoffen und Energie schonend umzugehen und den Verbrauch und damit die Kosten zu minimieren. In die Zukunft gedacht sind es Maschinen- und Werkzeugbauer, die technische Lösungen finden müssen, wie wir unsere Standards der Produktion halten und zugleich die Gebote der Nachhaltigkeit konsequenter umsetzen können. Wieder ist es kein Gegen-, sondern ein Miteinander, was sinnvoll und erstrebenswert ist.

Zusammen // Arbeiten

Der Austausch verschiedener Perspektiven wurde im Rahmen der Tagung in den Vordergrund gerückt. Wie wir schon verdeutlichten, gibt es zu verschiedenen Ansprüchen des Werkzeugbaus ganz unterschiedliche Lösungsansätze, ebenso in Hinsicht von den Werkstoffen wie den Verfahren der Fertigung und vieles mehr. Auch die Anforderungen der forschenden Ingenieur:innen und die Perspektiven der produzierenden Gewerbe sind nicht unbedingt deckungsgleich,  sie können sich aber über ihre jeweiligen Herausforderungen und Konditionen austauschen. Die verschiedenen Affiliationen der über 150 Referenten und Tagungsteilnehmer wurden während den Veranstaltungen also zur jeweiligen Erweiterung der Perspektive produktiv genutzt.

Auch die Organisation der Tagung nahm sich als eine Kooperation verschiedener Institutionen aus. Professor Andreas Wirtz versieht dabei als Inhaber einer Tandemprofessur schon selbst eine Scharnierposition zwischen der GFE und der Hochschule Schmalkalden, ist er doch bei beiden Institutionen zur gleichen Hälfte beschäftigt. An der Hochschule hat er die Professur für Fertigungstechnik und virtuelle Prozessgestaltung inne. Neben ihm waren auch Sandy Korb von der Hochschule Schmalkalden und Sabrina König sowie Petra Preiß von der GFE Teil des Organisationsteams, das zudem durch viele helfende Hände tatkräftig unterstützt wurde.

Die Kontakte zwischen der Hochschule und der GFE bestehen also wechselseitig. So übernimmt Dr. Florian Welzel, Geschäftsführer der GFE, regelmäßig einen Lehrauftrag an der Fakultät Maschinenbau im Sommersemester, wodurch sich die räumliche Nähe der beiden Institutionen in einen kooperativen Austausch übersetzt.

Eine Tagung lebt aber nicht nur von den Inhalten und dem wissenschaftlichen Austausch, sondern auch von dem rahmenden Programm und dem Kennenlernen der Umgebung: So wurde der erste Tagungsabend von einem Besuch der Viba-Nougatwelt und einem festlichen Essen am selben Ort abgerundet. Der zweite Tag fand seinen Ausklang in einem Besuch der GFE, wobei neben einer kulinarischen Empfehlung aus der Region eine Auswahl von Ergebnissen aus dem Bereich der Forschung und Entwicklung bei einer Besichtigung vorgestellt wurden.

Die Schmalkalder Werkzeugtagung bietet neben zahlreichen Fachvorträgen viele Möglichkeiten für einen offenen Austausch zwischen Industrie, Forschung und Hochschule. Dies eröffnet allen Teilnehmenden Potenziale sowohl für eine zielgerechte, anwendungsnahe Gestaltung gemeinsamer Forschungsprojekte als auch Chancen zum Forschungstransfer.

Konsortialtreffen des KI-Hub Kunststoffverpackungen an der Hochschule Schmalkalden

Konsortialtreffen des KI-Hub Kunststoffverpackungen an der Hochschule Schmalkalden

Am 18. und 19. September fand an der Hochschule Schmalkalden das erste Konsortialtreffen des KI-Hub Kunststoffverpackungen statt. Das Ziel dieser interdisziplinären Forschungskooperation besteht darin, die Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen effektiv zu erhöhen und deren Nutzung ressourcenschonend und im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft zu gestalten. Neben der Angewandten Kunststofftechnik der Hochschule Schmalkalden arbeiten hier gefördert unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 51 namhafte Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen. Als Projektbeteiligter organisierte zusammen Prof. Thomas Seul mit seinem Team der Angewandten Kunststofftechnik das Konsortialtreffen an der Hochschule.

Kunststoffe und Kreisläufe

Produkte und Verpackungen aus Kunststoff sind aus unseren Haushalten und aus unserem täglichen Gebrauch kaum mehr wegzudenken. Die Vorteile dieses Materials sind dabei vielfältig: Neben der Plastizität, die eine Vielfältigkeit der Form- und Farbgebung zulässt, sind hier die funktionalen und hygienischen Qualitäten einschlägig. Doch zugleich entstehen durch die Verbreitung des Kunststoffs und seine Langlebigkeit auch Probleme, wie wir an der zunehmenden Menge an Abfällen und gelben Säcken auch im Alltag merken. Dabei stellt sich die Herausforderung eines möglichst nachhaltigen Gebrauchs auf verschiedenen Ebenen, die zugleich unterschiedliche Problemlösungsansätze erfordern.

Eindrücke vom Empfang

Um die Ressource Kunststoff speziell in seiner Funktion als Verpackungsmaterial optimal und möglichst ökologieeffizient nutzen können, gilt es sowohl am Anfang wie dem Ende des Zyklus einer Kunststoffverpackung anzusetzen. Neben Aspekten des Materials und des Produktdesigns stehen die Bedingungen der Wiederaufbereitung im Fokus. Das übergeordnete Ziel besteht in der Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, die den Kunststoff vollumfänglich nutzt und keine Ressourcen verschwendet, also die Wertschöpfungskette von Kunststoffverpackungen so weit wie möglich zu schließen und die Produktion von Treibhausgasen zu minimieren. Um die Quote der Wiederverwertung zu maximieren muss neben der Aufbereitung der Kunststoffe bereits bei der Produktion der Verpackungsmaterialien angesetzt werden.

Innovationslabore

Kurz gefasst geht es dem KI-Hub einerseits darum, wie wir Kunststoffe ausgerichtet auf ihre Wiederverwertbarkeit als Verpackungen fertigen und verwenden müssen: Welcher Kunststoff lässt sich zum Beispiel wie am besten recyclen, welches Material eignet sich in welcher Dosierung für welches Produkt, und welche Anforderungen haben die Partner der Industrie? Andererseits geht es um die Frage der Optimierung des eigentlichen Recyclings, das von Organisation und Logistik der Abfallwirtschaft bis hin zur Sortierung und Verarbeitung mit Hilfe künstlicher Intelligenz reicht. Das KI-Hub selbst gliedert sich in die beiden Innovationslabore KIOpti-Pack (Design und Produktion) und K3I-Cycling (Kreislaufschließung) in zwei eigenständige Konsortien mit je eigenen Profilen und Forschungsschwerpunkten, die im KI-Hub kooperieren.

Im Innovationslabor KIOptiPack stand unter anderem die Frage im Fokus, wie Kunststoffe gefertigt werden können, die sich maximal weiternutzen lassen. Welche Qualitäten müssen Rezyklate, also wiederaufbereitete Kunststoffe, aufweisen, um für sensible Bereiche der Verpackung – wie zum Beispiel von Lebensmitteln – verwandt werden zu können? Was sind die Eigenschaften der Polymere und wie lassen sich diese im Hinblick auf die Wiederverwertung optimieren? Ein Problem unter vielen ist hierbei die Bedruckung von Folien: Welche Folgen haben die Aufbringung von Farben auf die Materialien und speziell für die Weiterverarbeitung? Aber auch die negativen Effekte spezifischer Geruchsbilder von Kunststoffen und Rezyklaten auf Konsument:innen und deren Akzeptanz stehen im Fokus. Kurzum ist das Ziel, den Anteil der Rezyklat-Polymere in Produkten zu erhöhen, wofür Fragen der Qualität und Quantität, der nötigen Reinheit und Kontamination für verschiedene Verwendungs- und Produktionsweisen zu klären sind.

Gespräche im Foyer

Das zweite Innovationslabor, K3I-Cycling, richtete den Blick auf das Ende des Kreislaufs, und damit im Sinne des Zirkels auf den reibungslosen Beginn der neuen Phase. Wie das andere Innovationslabor gliedert sich dieses Konsortium in verschiedene Themenfelder und Probleme, die in unterschiedlichen Paketen zusammengefasst werden. Ein Schwerpunkt liegt in der Sortierung und dessen Optimierung mit Hilfe künstlicher neuronaler Netzwerke. Der Vorteile dieser Technologien ist die sich selbst steuernde Erfassung, die flexibel auf Daten- und Materialflüsse reagiert. Ein Ziel ist es, die Prozesse nicht nur retrospektiv zu begleiten, sondern prospektiv valide Prognosen vornehmen zu können und so die Organisation der nachhaltigen Verarbeitung zu optimieren. Ein Ansatz ist hier das Deep Learning, dessen Potentiale sich anhand von Tools wie ChatGPT bereits ahnen lassen. Die Frage ist hier nicht nur, wo die Reise der technischen Entwicklung hingeht, sondern auch, wie sich die Potentiale effektiv in Anwendungen einbinden und nutzen lassen.

Das Konsortialtreffen

So kamen etwa 150 Teilnehmer, bestehend aus dem Konsortium, Beirat sowie Projektträger im spätsommerlichen Schmalkalden zusammen. Neben den Vorstellungen der Projekte, der Projektstände und einzelnen Vorträgen lag das Hauptaugenmerk auf verschiedenen Workshops, die zu unterschiedlichen Themen stattfanden. Die Teilnehmenden diskutierten hier Fragen unter anderem des effizienten Einsatzes von KI über den Daten- und Materialfluss bis hin zu Fragen ethischer und datenschutzzentrierter Horizonte. Ein Workshop untergliederte den Kreislauf der Wertschöpfungskette des Kunststoffs in verschiedene Stationen auf und wollte von den Teilnehmenden in Erfahrung bringen, wie sich die Übergänge zwischen den verschiedenen Stationen optimal ausnehmen würden bzw. wo die kritischen Punkte liegen. Auch wenn die Forschung hier noch am Anfang steht, ließe sich so ein ideales Optimum des Kreislaufs eruieren, dass die Reibungsverluste zwischen verschiedenen Stadien minimiert.

Disksussion im Workshop

Ein ebensolcher übergeordneter, rahmender Bezugspunkt wurde auch von einem Vortrag über die Kriterien der Nachhaltigkeitsbewertung und des Life Cycle aufgegriffen: Nachhaltigkeit ist ein normatives und komplexes Ziel, gegenüber dessen multiplen, teils divergierenden Ansprüchen sich Forschende bewusst verhalten müssen. Anders gesagt ist Nachhaltigkeit kein analytisches Konzept, dessen Definition schon im Sinne eines standardisierten Wertes feststünde, sondern ein offener Begriff, der auf verschiedenen Ebenen arbeitet und zugleich eine Positionierung der Bewertung und reflexiven Abwägung von den Akteuren verlangt. Um mit dem Begriff und den Anforderungen zwischen Ökologie, Ökonomie und gesellschaftlichem Kontext produktiv umgehen zu können, ist diese Rückversicherung und Zieljustierung sinnfällig.

Die Tagung diente neben der Sacharbeit auch dem Kennenlernen sowie der internen Vernetzung der verschiedenen beteiligten Personen. Gelegenheiten zum Austausch bot sich nicht nur in den Pausen und Workshops, sondern auch im Rahmen eines gemeinsamen Austauschs im Netzwerk in der Viba-Nougatwelt. Am Ende der Tagung wurden die Ergebnisse der Workshops präsentiert und die beiden Tage produktiv mit einigen Antworten und vielen neuen Fragen abgeschlossen.

Die Anwendung im Blick. Über Forschungsprojekte von Andreas Wenzel

Die Anwendung im Blick. Über Forschungsprojekte von Andreas Wenzel

Professor Andreas Wenzel hat die Professur für Technische Informatik/Eingebettete Systeme an der Fakultät Elektrotechnik der HSM inne. Zusammen mit seinem Team der Forschungsgruppe Eingebettete Diagnosesysteme sucht er nach praktischen Lösungen für unterschiedliche Anwendungsfelder und Fragestellungen, zum Beispiel: Welche Genauigkeit benötigt ein drahtloses Indoor-Lokalisierungssystem für den Einsatz für mobile Robotik-Anwendung? Wie lässt sich eine digitales Werkzeugbegleitbuch mit Bedienungsanleitung und Montagevideos an Werkzeugformen integrieren und im Gebrauch am besten nutzen? Welche KI-Methoden und Algorithmen sind für maschinelle Bewertung der Produktionsqualität aus Prozessdaten besonders geeignet? 

Eine weitere Aufgabe, der sich das Team um Professor Wenzel in den Forschungsprojekten „Powermoduls“ und „WASABI“ in Kooperation mit der Fakultät für den Maschinenbau widmete, war die Optimierung von Spritzgussverfahren mit Hilfe eines integrierten Diagnosesystems: Lassen sich beim Herstellungsprozess bereits Daten erheben, welche die Güte des gefertigten Produkts prognostizieren können? Dies wäre ein Weg, bereits zu Beginn Fehlproduktionen zu vermeiden. Gerade weil in nahezu vollautomatisierten Produktionsprozessen weniger menschliche Handarbeit als vielmehr die Überwachung und Qualitätskontrolle der Produktion zur Optimierung gefragt ist, macht dieser Ansatz auch für die Industrie Sinn.

Zunächst galt es hierfür die messbaren Faktoren und Parameter im Prozess der Produktion auszumachen, welche für die Qualität des hergestellten Produkts entscheidend sind bzw. diese mittelbar beeinflussen. Neben dem Aspekt der sensiblen Detektion relevanter Sensordaten bestand die Herausforderung darin, die großen Mengen an Daten zu verarbeiten. Ein Mittel hierzu sind KI-unterstützte Verarbeitungsverfahren, also spezifischer Algorithmen, mit deren Hilfe die Daten geordnet, Muster erkannt und belastbare, relevante Informationen von anderen getrennt werden können. Zuletzt war die Ausgabe an die für die Produktion verantwortliche Person zu bedenken: Welche Informationen über die Entscheidung der KI mussten mitgeliefert werden, und in welchem Format? Welche Maßnahme kann der Prozessbediener im laufenden Prozess anpassen, um Fehlproduktionen zu vermeiden?

Die Tonalität von Klingen

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der vergangenen Jahre waren die  Projekte „EMIL“ und „SMoSys“, wobei ersteres zusammen mit Prof. Beneke von der Fakultät Maschinenbau, Class und der Universität Kassel durchgeführt wurde. In SMoSys wurde dies dann im Verbund mit der Uni Kassel, der Uni Göttingen und Class weiterentwickelt. Hier waren für die technischen Lösungen eine Kombination aus Zugängen der klassischen Ingenieurswissenschaft und der Datenverarbeitung mit künstlichen neuronalen Netzwerken notwendig. Eines der größeren Verschleißteile von Landmaschinen wie Feldhäckslern sind die Klingen, mit denen die Agrargüter wie Mais geschnitten werden. Bedingt durch den Zeitdruck der Ernte  müssen verschiedenen Wartungsprozesse auch kostenoptimiert gestaltet werden. Ein solcher Aspekt ist auch das Schleifen der Messer. Beide Forschungsvorhaben haben sowohl mit den Verschleiß, sowie mit der Prognose des Messerzustandes in realen Messumgebungen beschäftigt.

Fragen wie: „Wie lässt sich die Schärfe der Messer bestimmen?“ haben die beteiligten Forschungsgruppen natürlich auch beschäftigt. Hierfür wären allerlei technische Instrumente denkbar, die zwar eine Messung erlauben, aber zugleich mit einem hohen Aufwand verbunden wären. Im Rahmen des Projekts konnte zusätzlich ein praktikabler Ansatz, welcher auf bereits bestehende Gegebenheiten zurückgreift und in ihrem Aufwand minimal bleibt, erarbeitet werden. Professor Wenzel und sein Team griffen hierfür auf bereits integrierte Sensoren im Feldhäcksler zurück, welche die Schwingungen in der Nähe der Schneiden erfassen können. Wenn diese Schwingungen Auskunft über den Zustand der Klingen geben, könnte diese auch für die Entwicklung eines automatisiertes Monitoringsystems genutzt werden. Zuletzt war es wiederum die Aufgabe, aus den Daten eben jene belastbaren Signale und Muster zu extrahieren, an denen der Verschleiß der Klingen ablesbar war.

Professor Wenzel und sein Team befassen sich im Bereich der Landwirtschaft neben der Klingenschärfe der Feldhäcksler auch mit der Kartierung von Räumen für das autonome Fahren von landwirtschaftlichen Maschinen. Diese Aufgabe, die vor der Herausforderung einer eher rauen Umgebung steht, dient nicht zuletzt der optimalen Nutzung der natürlichen Ressourcen, zusätzlich werden auch Themenaspekte der Nachhaltigkeit behandelt. Für das Erkennen von Innovationspotenzialen und den Einsatz von KI-Algorithmen und eingebetteten Systemen sind intelligente Methoden sowie unterstützendes Know-how aus Sensorik, Prozessverständnis und praxisnahen Anwendungen für die Entwicklung von Lösungsansätzen für Industrie sowie Wissenschaft und Forschung von essentieller Bedeutung.