Die Verbindung von Technologie, Ökonomie und Ökologie – Die 15. Schmalkalder Werkzeugtagung

Die Verbindung von Technologie, Ökonomie und Ökologie – Die 15. Schmalkalder Werkzeugtagung

Wie viele andere Bereiche auch ist der Werkzeugbau eine eigene Welt. Zuerst muss natürlich geklärt werden, um was es überhaupt geht: Der Werkzeugbau ist ein Teilbereich des Maschinenbaus, der sich mit der Herstellung von Werkzeugen, zum Beispiel Fräswerkzeugen für die industrielle Produktion, befasst. Dieser Arbeitsbereich erstreckt von verschiedenen Verfahren über unterschiedliche Schneidstoffe, also Materialien der Werkzeuge, bis hin zu Fragen unterschiedlicher Beschichtungen. Einen Eindruck in diesen für sich facettenreichen Bereich konnte man vor Kurzem im Rahmen der „15. Schmalkalder Werkzeugtagung“ am 8. und 9. November 2023 erhalten, die als Kooperation der GFE – Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung Schmalkalden e.V., des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im VDMA und der Hochschule Schmalkalden an eben dieser Hochschule stattfand und zu einer der größten Veranstaltungen dieses Bereichs zählt.

Prof. em. Dr. Konrad Wegener | ETH Zürich

Im Fokus stehen also hochpräzise und zugleich robuste Werkzeuge der industriellen Zerspanungstechnik. Unter das Zerspanen fallen verschiedene Verfahren wie das Drehen, Fräsen und Schleifen, die Werkstücke in eine bestimmte Form bringen. Als beispielhafte Vereinfachung für das Verständnis des Fräsens bietet sich das Bild von Bohrwerkzeugen an, wie wir sie alle aus unseren Bohrmaschinen kennen. Auch wenn wir dabei die Erfahrung unterschiedlicher Qualitäten dieser Werkzeuge sammeln können und sich die Schärfe und der Verschleiß verschiedener Typen nicht unwesentlich unterscheidet, ist der Grad an Belastung in der Produktion der seriellen Industrie um einiges höher.

In Bereichen der Automobil- oder auch Flugzeugproduktion geht es um enorme Stückzahlen und hocheffiziente, optimierte Fertigungsprozesse, in denen der Ausfall oder der Austausch von Werkzeugen hohen Aufwand und hohe Kosten verursachen. Die hier verwandten Werkzeuge müssen also präzise wie verlässlich arbeiten und zugleich robust sein. Hier kann nun die Forschung ansetzen und die Industrie unterstützen: In der Erforschung neuer Methoden und Materialien kann die Funktionsweise optimiert und der Verschleiß minimiert werden, wodurch nicht nur die Produkte besser, sondern auch die Fertigungsprozesse effizienter werden.

Verschiedene Wege, ein Ziel

Moderne Produktionsverfahren sind hochkomplex, was Ansätze der Forschung zugleich kompliziert und diversifiziert: Kurz gesagt kann es den Forschenden nunmehr nur um kleine Bereiche gehen, auf die sie sich spezialisieren. Tagungen haben die Aufgabe, neben einer Leistungsschau der Fähigkeiten und der Vorstellung innovativer Projekte und Ansätze die verschiedenen Bereiche in Kontakt und Austausch über die aktuellen Themen und Herausforderungen ihrer Gebiete zu bringen.

Die Werkzeugtagung wurde nach den Grußworten von einem Vortrag über die Vorzüge des Einsatzes von Lasertechnik anstatt von Zerspanwerkzeugen zur Herstellung von Umformwerkzeugen. Diese Technik ist im Bereich des Werkzeugbaus noch wenig verbreitet, so dass es nun zunächst darum geht, die möglichen Potentiale und Konditionen der Verwendung zu klären. Wie alle Fertigungsverfahren hat auch dieses einen speziellen Einsatzbereich, in dem es sinnvoll ist, auf diese Technik zurückzugreifen. Gerade wenn es um die Herstellung enorm kleiner, filigraner Formelemente geht, bei denen selbst spezielle Mikrofräsmaschinen kaum mehr arbeiten kann, bietet sich der Laser als Alternative zur Zerspanung an. Diese Richtung, der Sinnhaftigkeit und Nutzbarkeit verschiedener Ansätze für unterschiedliche Zwecke prägte die Tagung.

In diesem Sinne wurde auch der Dissens zwischen additiven und subtraktiven Verfahren als letztlich wenig produktiv bei Seite geschoben: Es kann nicht darum gehen, jenes eine, universell anwendbare Herangehen zu finden, den klassischen Stein der Weisen, sondern die Vorzüge und Nachteile unterschiedlicher Methoden für verschiedene Zwecke zu verstehen. Gerade bei hochkomplexen Werkzeugen, die in eher überschaubaren Mengen produziert werden, ist der Rückgriff auf Verfahren wie den 3D-Druck sinnvoll. Dagegen lassen sich hohe Stückzahlen zu geringen Kosten durchaus mit den etablierten Zerspanverfahren realisieren. Letztlich nimmt also kein Teilbereich einem anderen etwas weg, vielmehr ergänzen sie sich in den verschiedenen Herausforderungen der Anwendungsfelder.

Impulse

Auch wenn die Welt des Werkzeugbaus eine eigene ist, so steht sie doch in Kontakt mit der Außenwelt und ihren Entwicklungen. Im Fokus der Tagung standen auch die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung von Künstlicher Intelligenz: Aus Sicht der Praxis ist es weder möglich, auf die Verbesserungen digitaler Lösungen in toto zu verzichten, noch in einen naiven Lobgesang einzufallen, der in der Künstlichen Intelligenz ein Allheilmittel sieht. Die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz bieten im Werkzeugbau und der Optimierung der Produktion nützliche Verbesserungen, die es den verantwortlichen Personen einfacher machen. Genau hier gilt es Mittel und Wege zu finden, die neuen Techniken adäquat zu nutzen und sie in die lernenden Prozesse der Produktion einzubinden.

Eine weitere durchschlagende Veränderung ist der Anspruch der Nachhaltigkeit, der sich in unserer Gegenwart auch dem Maschinenbau als Herausforderung stellt. Diese Aufgabe ist für die Ingenieure aber keinesfalls das sprichwörtliche Neuland, ging es doch schon immer darum, mit Ressourcen wie Rohstoffen und Energie schonend umzugehen und den Verbrauch und damit die Kosten zu minimieren. In die Zukunft gedacht sind es Maschinen- und Werkzeugbauer, die technische Lösungen finden müssen, wie wir unsere Standards der Produktion halten und zugleich die Gebote der Nachhaltigkeit konsequenter umsetzen können. Wieder ist es kein Gegen-, sondern ein Miteinander, was sinnvoll und erstrebenswert ist.

Zusammen // Arbeiten

Der Austausch verschiedener Perspektiven wurde im Rahmen der Tagung in den Vordergrund gerückt. Wie wir schon verdeutlichten, gibt es zu verschiedenen Ansprüchen des Werkzeugbaus ganz unterschiedliche Lösungsansätze, ebenso in Hinsicht von den Werkstoffen wie den Verfahren der Fertigung und vieles mehr. Auch die Anforderungen der forschenden Ingenieur:innen und die Perspektiven der produzierenden Gewerbe sind nicht unbedingt deckungsgleich,  sie können sich aber über ihre jeweiligen Herausforderungen und Konditionen austauschen. Die verschiedenen Affiliationen der über 150 Referenten und Tagungsteilnehmer wurden während den Veranstaltungen also zur jeweiligen Erweiterung der Perspektive produktiv genutzt.

Auch die Organisation der Tagung nahm sich als eine Kooperation verschiedener Institutionen aus. Professor Andreas Wirtz versieht dabei als Inhaber einer Tandemprofessur schon selbst eine Scharnierposition zwischen der GFE und der Hochschule Schmalkalden, ist er doch bei beiden Institutionen zur gleichen Hälfte beschäftigt. An der Hochschule hat er die Professur für Fertigungstechnik und virtuelle Prozessgestaltung inne. Neben ihm waren auch Sandy Korb von der Hochschule Schmalkalden und Sabrina König sowie Petra Preiß von der GFE Teil des Organisationsteams, das zudem durch viele helfende Hände tatkräftig unterstützt wurde.

Die Kontakte zwischen der Hochschule und der GFE bestehen also wechselseitig. So übernimmt Dr. Florian Welzel, Geschäftsführer der GFE, regelmäßig einen Lehrauftrag an der Fakultät Maschinenbau im Sommersemester, wodurch sich die räumliche Nähe der beiden Institutionen in einen kooperativen Austausch übersetzt.

Eine Tagung lebt aber nicht nur von den Inhalten und dem wissenschaftlichen Austausch, sondern auch von dem rahmenden Programm und dem Kennenlernen der Umgebung: So wurde der erste Tagungsabend von einem Besuch der Viba-Nougatwelt und einem festlichen Essen am selben Ort abgerundet. Der zweite Tag fand seinen Ausklang in einem Besuch der GFE, wobei neben einer kulinarischen Empfehlung aus der Region eine Auswahl von Ergebnissen aus dem Bereich der Forschung und Entwicklung bei einer Besichtigung vorgestellt wurden.

Die Schmalkalder Werkzeugtagung bietet neben zahlreichen Fachvorträgen viele Möglichkeiten für einen offenen Austausch zwischen Industrie, Forschung und Hochschule. Dies eröffnet allen Teilnehmenden Potenziale sowohl für eine zielgerechte, anwendungsnahe Gestaltung gemeinsamer Forschungsprojekte als auch Chancen zum Forschungstransfer.

Konsortialtreffen des KI-Hub Kunststoffverpackungen an der Hochschule Schmalkalden

Konsortialtreffen des KI-Hub Kunststoffverpackungen an der Hochschule Schmalkalden

Am 18. und 19. September fand an der Hochschule Schmalkalden das erste Konsortialtreffen des KI-Hub Kunststoffverpackungen statt. Das Ziel dieser interdisziplinären Forschungskooperation besteht darin, die Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen effektiv zu erhöhen und deren Nutzung ressourcenschonend und im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft zu gestalten. Neben der Angewandten Kunststofftechnik der Hochschule Schmalkalden arbeiten hier gefördert unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 51 namhafte Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen. Als Projektbeteiligter organisierte zusammen Prof. Thomas Seul mit seinem Team der Angewandten Kunststofftechnik das Konsortialtreffen an der Hochschule.

Kunststoffe und Kreisläufe

Produkte und Verpackungen aus Kunststoff sind aus unseren Haushalten und aus unserem täglichen Gebrauch kaum mehr wegzudenken. Die Vorteile dieses Materials sind dabei vielfältig: Neben der Plastizität, die eine Vielfältigkeit der Form- und Farbgebung zulässt, sind hier die funktionalen und hygienischen Qualitäten einschlägig. Doch zugleich entstehen durch die Verbreitung des Kunststoffs und seine Langlebigkeit auch Probleme, wie wir an der zunehmenden Menge an Abfällen und gelben Säcken auch im Alltag merken. Dabei stellt sich die Herausforderung eines möglichst nachhaltigen Gebrauchs auf verschiedenen Ebenen, die zugleich unterschiedliche Problemlösungsansätze erfordern.

Eindrücke vom Empfang

Um die Ressource Kunststoff speziell in seiner Funktion als Verpackungsmaterial optimal und möglichst ökologieeffizient nutzen können, gilt es sowohl am Anfang wie dem Ende des Zyklus einer Kunststoffverpackung anzusetzen. Neben Aspekten des Materials und des Produktdesigns stehen die Bedingungen der Wiederaufbereitung im Fokus. Das übergeordnete Ziel besteht in der Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, die den Kunststoff vollumfänglich nutzt und keine Ressourcen verschwendet, also die Wertschöpfungskette von Kunststoffverpackungen so weit wie möglich zu schließen und die Produktion von Treibhausgasen zu minimieren. Um die Quote der Wiederverwertung zu maximieren muss neben der Aufbereitung der Kunststoffe bereits bei der Produktion der Verpackungsmaterialien angesetzt werden.

Innovationslabore

Kurz gefasst geht es dem KI-Hub einerseits darum, wie wir Kunststoffe ausgerichtet auf ihre Wiederverwertbarkeit als Verpackungen fertigen und verwenden müssen: Welcher Kunststoff lässt sich zum Beispiel wie am besten recyclen, welches Material eignet sich in welcher Dosierung für welches Produkt, und welche Anforderungen haben die Partner der Industrie? Andererseits geht es um die Frage der Optimierung des eigentlichen Recyclings, das von Organisation und Logistik der Abfallwirtschaft bis hin zur Sortierung und Verarbeitung mit Hilfe künstlicher Intelligenz reicht. Das KI-Hub selbst gliedert sich in die beiden Innovationslabore KIOpti-Pack (Design und Produktion) und K3I-Cycling (Kreislaufschließung) in zwei eigenständige Konsortien mit je eigenen Profilen und Forschungsschwerpunkten, die im KI-Hub kooperieren.

Im Innovationslabor KIOptiPack stand unter anderem die Frage im Fokus, wie Kunststoffe gefertigt werden können, die sich maximal weiternutzen lassen. Welche Qualitäten müssen Rezyklate, also wiederaufbereitete Kunststoffe, aufweisen, um für sensible Bereiche der Verpackung – wie zum Beispiel von Lebensmitteln – verwandt werden zu können? Was sind die Eigenschaften der Polymere und wie lassen sich diese im Hinblick auf die Wiederverwertung optimieren? Ein Problem unter vielen ist hierbei die Bedruckung von Folien: Welche Folgen haben die Aufbringung von Farben auf die Materialien und speziell für die Weiterverarbeitung? Aber auch die negativen Effekte spezifischer Geruchsbilder von Kunststoffen und Rezyklaten auf Konsument:innen und deren Akzeptanz stehen im Fokus. Kurzum ist das Ziel, den Anteil der Rezyklat-Polymere in Produkten zu erhöhen, wofür Fragen der Qualität und Quantität, der nötigen Reinheit und Kontamination für verschiedene Verwendungs- und Produktionsweisen zu klären sind.

Gespräche im Foyer

Das zweite Innovationslabor, K3I-Cycling, richtete den Blick auf das Ende des Kreislaufs, und damit im Sinne des Zirkels auf den reibungslosen Beginn der neuen Phase. Wie das andere Innovationslabor gliedert sich dieses Konsortium in verschiedene Themenfelder und Probleme, die in unterschiedlichen Paketen zusammengefasst werden. Ein Schwerpunkt liegt in der Sortierung und dessen Optimierung mit Hilfe künstlicher neuronaler Netzwerke. Der Vorteile dieser Technologien ist die sich selbst steuernde Erfassung, die flexibel auf Daten- und Materialflüsse reagiert. Ein Ziel ist es, die Prozesse nicht nur retrospektiv zu begleiten, sondern prospektiv valide Prognosen vornehmen zu können und so die Organisation der nachhaltigen Verarbeitung zu optimieren. Ein Ansatz ist hier das Deep Learning, dessen Potentiale sich anhand von Tools wie ChatGPT bereits ahnen lassen. Die Frage ist hier nicht nur, wo die Reise der technischen Entwicklung hingeht, sondern auch, wie sich die Potentiale effektiv in Anwendungen einbinden und nutzen lassen.

Das Konsortialtreffen

So kamen etwa 150 Teilnehmer, bestehend aus dem Konsortium, Beirat sowie Projektträger im spätsommerlichen Schmalkalden zusammen. Neben den Vorstellungen der Projekte, der Projektstände und einzelnen Vorträgen lag das Hauptaugenmerk auf verschiedenen Workshops, die zu unterschiedlichen Themen stattfanden. Die Teilnehmenden diskutierten hier Fragen unter anderem des effizienten Einsatzes von KI über den Daten- und Materialfluss bis hin zu Fragen ethischer und datenschutzzentrierter Horizonte. Ein Workshop untergliederte den Kreislauf der Wertschöpfungskette des Kunststoffs in verschiedene Stationen auf und wollte von den Teilnehmenden in Erfahrung bringen, wie sich die Übergänge zwischen den verschiedenen Stationen optimal ausnehmen würden bzw. wo die kritischen Punkte liegen. Auch wenn die Forschung hier noch am Anfang steht, ließe sich so ein ideales Optimum des Kreislaufs eruieren, dass die Reibungsverluste zwischen verschiedenen Stadien minimiert.

Disksussion im Workshop

Ein ebensolcher übergeordneter, rahmender Bezugspunkt wurde auch von einem Vortrag über die Kriterien der Nachhaltigkeitsbewertung und des Life Cycle aufgegriffen: Nachhaltigkeit ist ein normatives und komplexes Ziel, gegenüber dessen multiplen, teils divergierenden Ansprüchen sich Forschende bewusst verhalten müssen. Anders gesagt ist Nachhaltigkeit kein analytisches Konzept, dessen Definition schon im Sinne eines standardisierten Wertes feststünde, sondern ein offener Begriff, der auf verschiedenen Ebenen arbeitet und zugleich eine Positionierung der Bewertung und reflexiven Abwägung von den Akteuren verlangt. Um mit dem Begriff und den Anforderungen zwischen Ökologie, Ökonomie und gesellschaftlichem Kontext produktiv umgehen zu können, ist diese Rückversicherung und Zieljustierung sinnfällig.

Die Tagung diente neben der Sacharbeit auch dem Kennenlernen sowie der internen Vernetzung der verschiedenen beteiligten Personen. Gelegenheiten zum Austausch bot sich nicht nur in den Pausen und Workshops, sondern auch im Rahmen eines gemeinsamen Austauschs im Netzwerk in der Viba-Nougatwelt. Am Ende der Tagung wurden die Ergebnisse der Workshops präsentiert und die beiden Tage produktiv mit einigen Antworten und vielen neuen Fragen abgeschlossen.