Mit der Sammlung von Daten, dem umgangssprachlichen Gold unseres Zeitalters, haben wir uns schon oft befasst. Die Unmenge an Datenmaterial, die infolge der Digitalisierung unter anderem der industriellen Produktion und Teilen der menschlichen Kommunikation zur Verfügung steht, eröffnet unserer Gegenwart völlig neue Wege und Tiefen der Analyse. Kurzum erlauben es die Expansivität moderner Sensorik und die Steigerung der Rechenleistung und Verarbeitungskapazitäten, große Mengen an Informationen aufzunehmen, zu ordnen und Erkenntnisse aus den gesammelten Daten zu gewinnen.
Mit dieser Entwicklung erlangt der spezifische Forschungsbereich der Data Analytics immer mehr an Bedeutung. Hierbei geht es um die Werkzeuge, die Technologien und Prozesse, mit deren Hilfe Muster, Verläufe und Problemlösungen gestützt auf ein Konvolut an Daten ermittelt werden können. Neben der eigentlichen analytischen Auswertung ist die Sicherung der Qualität der Datensätze und eine effiziente Archivverwaltung für die weiteren Schritte elementar.
Können elektrische Schafe halluzinieren?
Mit der Verbreitung KI-gestützter Technologien traten Phänomene in den Fokus der Öffentlichkeit, die der Data Analytics thematisch nahestehen: Infrage steht vereinfacht formuliert, ob zum Beispiel Chat GPT lügen kann. Bei manchen Anfragen kam es zu Ausgaben, die schlicht falsch waren, unter anderem ganz offensichtlicher Fehlurteile wie die Anzahl bestimmter Buchstaben in einem Wort. Dieses Phänomen wurde als Halluzination beschrieben und erhielt einige Aufmerksamkeit: Die Ermittlung der Ursache der Fehlausgabe hatte das Problem der Komplexität des Programms, aber nicht nur der Architektur der künstlichen Intelligenz mit seinen Legionen an Knotenpunkten und Schichten, sondern auch in Hinsicht der Datenmengen und deren komplexer Verwaltung. Letzterer Aspekt zielt auf die Archivstrukturen und den Umgang mit den riesigen Datenmengen und -banken, die großen Sprachmodellen wie Chat GPT für den Trainingsprozess zugrunde liegen.
Neben der Frage, warum diese Fehler überhaupt aufkamen, war auch offen, an welchen Zeitpunkt sie entstanden. Die Programme selbst waren selbstredend nicht zur Ausgabe falscher Antworten angehalten, gleichwohl verlangt der Umgang mit der natürlichen Sprache und manche Formen der Anwendung eine gewisse Qualität der Kreativität, also der Dehnung und Übertragung, die die Programme leisten müssen. Zum Beispiel bei dem Wunsch, den dritten Akt von Romeo und Julia in der Sprache modernen Ostküsten-HipHops zu reformulieren – ein solches Werk existiert bislang nicht, das Modell muss also selbst kreativ werden um diese Anfrage zu beantworten. Es werden große Anstrengungen unternommen, die Anzahl der Halluzinationen von Modellen zu minimieren, was auch die Relevanz zeigt, wie Daten verwertet und verarbeitet, Datensätze gereinigt oder auch korrumpierte Daten aussortiert oder gerettet werden. Und weiter, wie komplexe Technologien mit einem Gros an Datensätzen interagieren. Und hier setzt die Data Analytics an.
Was ist Data Analytics?
Die Data Analytics befasst sich mit der Analyse von Daten und deren Auswertung zu unterschiedlichen Zwecken. Sie ist ein multidisziplinäres Forschungsfeld zwischen der Informatik, der Mathematik und der Statistik sowie weiterer Bereiche, die produktiv verknüpft werden. Generell lässt sich die Data Analytics in vier Ansätze unterteilen: Die deskriptive Analyse versucht zu beschreiben, welche Veränderungen bereits geschehen sind. Dagegen zielt die diagnostische Analytik auf eine Erklärung, warum etwas wie passiert ist. Die letzten beiden Zugänge schlagen eine andere Richtung ein: Aus den Daten Prognosen über zukünftige Entwicklungen abzuleiten ist das Ziel der prädiktiven Analysen. Diese Prognose wird im Falle der präskriptiven Analytik noch durch die optimale Reaktion ergänzt. Die unterschiedlichen Ansätze verfolgen nicht nur verschiedene Ziele, sie gehen auch anders mit den Daten um und haben differenzierte Ansprüche an die Daten.
Seit gut zwei Jahren hat Constantin Pohl die Professur für „Data Analytics“ an der Fakultät für Informatik der Hochschule Schmalkalden inne und nutzt die Gelegenheit seiner Antrittsvorlesung, ein Licht auf verschiedene Facetten seiner Forschung und seiner Lehre zu werfen. Bereits in seiner Dissertation befasste er sich mit der Frage, wie sich moderne Hardware zur Beschleunigung von Datenbank-Anfragen optimal nutzen ließe. Anders formuliert war das Thema, wie Datenverwaltungen strukturiert und organisiert sein müssen, um Ressourcen und Kapazitäten bedarfsgerecht zu nutzen und Suchanfragen effizient zu verarbeiten. Die Datenmengen auf Servern nehmen einerseits beständig zu und macht Suchvorgänge aufwändiger und langsamer, zugleich erlauben die vielen Kerne moderner Prozessoren über das Multithreading parallele Verarbeitungen. So gilt es, Managementsystem für Datenbanken und Datenströme zu entwickeln, die den neuen Anforderungen gerecht werden und zudem die technischen Möglichkeiten optimal nutzen.
Öl-Druck und Reparaturzyklen
In einem zurückliegenden Forschungsprojekt widmete sich Constantin Pohl der Frage, wie KI-Modelle für die Wartung von industriellen Anlagen und Maschinen wie einem Druckluftkompressor genutzt werden können. Das Ziel ist, Wartungsarbeiten an Verschleißteilen nicht mehr an fixen Zeitpunkten oder nach Werkzeugausfällen anzusetzen, sondern vorausschauend anhand konkreter und in Echtzeit erhobener Daten der laufenden Maschinen. Um diese Optimierung zu realisieren ist eine Prognose wichtig: Anhand von Sensordaten sollen Aussagen über die Zukunft getroffen werden, zum Beispiel das ein Filter noch 22 Stunden halten wird, bevor er gewechselt werden sollte. Hieran ließen sich dann entsprechende Reparaturmaßnahmen orientieren.
Die Ausgangsbasis sind wieder verschiedene Sensoren, welche die Maschinen anhand unterschiedlicher Parameter vermessen. In dem konkreten Projekt wurden 26 Merkmale sensorisch erfasst, neben der Temperatur und der Ölqualität auch der Differenzdruck zwischen verschiedenen Filtern. Bevor mit diesen Daten aber Aussagen getroffen werden können, mussten die Algorithmen anhand der Ausfälle der Kompressoren trainiert werden. In Regressionsmodellen wurden unterschiedliche vorverarbeitete und ausgewählte Datenmengen genutzt, um Ausfälle vorherzusagen. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass es hier nicht um eine Größe wie die Temperatur ging, um diese Prognose zu machen: Die Modelle berücksichtigen viele Daten und ihre Verläufe, auch über eine längere Zeit, und verknüpften diese zugleich. Diese komplexen Berechnungen sind die spezifischen Leistungen der KI-Modelle, die zur Erkennung von Mustern und Strukturen sowie Abweichungen geeignet sind.
Am Ende des Projektes ließ sich die Prognostizierbarkeit grundsätzlich umsetzen. Mit einem entwickelten Ölsensor und der Nutzung der regulären Sensorik konnten die fehlerhaften Vorhersagen auf 0,09% reduziert werden. Auch die maximalen Abweichungen waren bei einer Gesamtzahl 158.000 Vorhersagen nur in einem Fall bei sechs Tagen und ansonsten bei einem Tag. Der entscheidende Faktor für die erfolgreiche Ermittlung und Prognose ist der Ölsensor.
Datenströme
Neben dieser Thematik befasst sich Professor Pohl auch mit Fragen des Stream Processing: In der Datenverarbeitung lassen sich zwei Ansätze unterscheiden, die sich für verschiedene Anwendungen und Ziele eignen. Der klassische Weg ist die Paketlösung: In einem bestimmten Zeitraum werden Daten erfasst und dann als Block archiviert. Im Anschluss können diese Daten verarbeitet und ausgewertet werden. Offensichtlich ist hierbei die große Latenz, also die Zeitspanne, die zwischen der Messung und den Ergebnissen einer Auswertung steht. Das Stream Processing zielt dagegen auf die Auswertung der Datenströme in Echtzeit, wobei durch diesen Fokus andere Imperative der Verarbeitung wichtig werden.
Die Analyse von Datenströmen steht vor der Herausforderung, eine permanente Aufnahme und Verarbeitung zu gewährleisten. Die Auslastung muss so gestaltet werden, dass durch die Interaktion verschiedener Komponenten keine Flaschenhälse oder Stausituationen entstehen. Kurzum geht es darum, effiziente Strukturen zu etablieren, die eine möglichst permanente und effiziente Verteilung und Verarbeitung erlauben und die Kapazitäten entsprechend nutzen.
Constantin Pohl befasst sich mit der Entwicklung und Erprobung von Stream Processing Engines. Im konkreten Fall ging es um die Vorhersage des Zielhafens und der Ankunftszeit. Die pendelnden Schiffe geben während ihren Reisen permanent Informationen weiter, zum Beispiel über ihre Position, ihre Geschwindigkeit und den Schiffstyp, die in einem komplexen Modell für Vorsagen ihrer Zielhäfen genutzt werden können. Kurzum bietet sich so die Möglichkeit, über eine Einschätzung einer komplexen Sachlage mit vielen Akteuren und zu beachtenden Parametern Strategien der Optimierung der Zielhäfen zu entwickeln.
Fußstapfen
Constantin Pohl hat bislang noch eine Juniorprofessur an der Hochschule Schmalkalden, die im Rahmen des bundesweiten Projektes „FH-Personal“ geschaffen wurde. Mit seiner Berufung wurde die Professur von Martin Golz zu einer Schwerpunktprofessur, die es diesem erlaubt, das Lehrdeputat zu senken und sich vermehrt der Forschung zu widmen.
Professor Pohl kann seine Arbeit in einem laufenden Lehr- und Forschungsbetrieb aufnehmen und den Lehrstuhl intensiv kennenlernen. Ziel ist es, die Reibungsverluste zu minimieren und durch geteilte Wege strukturelle Kontinuitäten zu etablieren. Er unterrichtet neben Grundlagen der Daten- und Wissensverarbeitung auch Deep Learning Architekturen und Wissensentdeckung in Datenbanken. Als Mitglied im Prüfungsausschuss der Fakultät Informatik widmet er sich gemeinsam mit den anderen Mitgliedern den Problemen der Studierenden in Prüfungsangelegenheiten. Auch am Hochschulinformationstag und dem Absolvententreffen stellte er sich und seine Forschung dem interessierten Publikum vor.
Zum nunmehr dritten Mal wurde von der Fakultät der Elektrotechnik zum E-Science Day geladen. Ziel dieser Veranstaltung ist es zunächst, einen Überblick über die Forschungsaktivitäten an der Fakultät, also über unterschiedliche aktuelle Themen und Projekte, zu geben. Zudem werden Kooperationspartner aus der Wirtschaft und von wissenschaftlichen Institutionen eingeladen und können sich vorstellen. Ferner besteht der Zweck des E-Science Days darin, die Öffentlichkeit von der Schmalkalder Stadtgesellschaft bis hin zu jungen Menschen, die gerade auf der Suche nach einem passenden Studiengang sind, aufmerksam und neugierig auf die Forschungsthemen und -vorhaben zu machen.
Messstationen, Künstliche Intelligenz und Computerchips
Nach der Begrüßung durch die Professoren Roy Knechtel und Silvio Bachmann im Namen der Fakultät Elektrotechnik wurde der erste Vortrag von Professor Martin Schreivogel gehalten, der an der HSM die Professur für die Grundlagen der Elektrotechnik innehat. Dieser nutzte die Gelegenheit nicht nur dazu, kurz in das Thema der Gassensorik einzuführen, sondern auch, ein Projekt zur Luftgütevermessung via kompakter Messboxen vorzustellen. Das zu lösende Problem war die Ermittlung der Luftgüte in Innenstädten: Anstelle von punktuellen Messungen ist es für eine Beurteilung zweckmäßiger, über viele, im Stadtraum verteilte Messstationen ein detailliertes und dynamisches Bild der Verteilung zu erhalten, also die Luftströme und die Effekte der städtischen Architektur mit in Betracht zu ziehen. Hierfür waren ebenso viele technische Herausforderungen der Sensorik insbesondere hinsichtlich der Kompaktheit der Geräte sowie die Kosteneffizienz zu meistern, die eine Vielzahl solcher Stationen erst möglich macht. Zudem umriss Martin Schreivogel ein aktuelles Vorhaben, das in der Optimierung bereits laufender Wasserstoffanlagen besteht. Eine der zentralen Aufgabe der Energiewende ist die Speicherung und der Transport von Energie, und eine Lösung dafür ist die Transformation in Wasserstoff. Die Forschungsfrage ist nun, wie sich die Prozesse der Elektrolyse unter Realbedingungen optimieren lassen.
Im Anschluss gaben Professorin Maria Schweigel, Inhaberin der Professur für autonome Systeme, und Lisa Schneeweiß einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand des Projektes BauKIRo. Dieses Forschungsvorhaben findet in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl FAPS der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) über eine industrielle Gemeinschaftsforschung mit dem Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein E.V. (DBV) statt und wird vom BMWK gefördert. Die Idee hinter dem Projekt ist digitale Herstellung von Bauplänen, für deren Vermessung nicht nur Drohnen, sondern auch Applikationen genutzt werden, die auf künstliche Intelligenz zurückgreifen. Ein Zwischenergebnis besteht in der Notwendigkeit, die Drohnen, die den Baufortschritt prüfen und dokumentieren sollen, auf die spezifische Umgebung sich im Bau befindlicher Gebäude anzupassen. Hierbei geht es zum Beispiel um die Gefahr, die von herumhängenden Kabeln verursacht werden. Ein anderes Problem ist die Datenverarbeitung der Bilder, wodurch fehlerhafte Punktwolken entstehen können. Somit hat die Forschung neue Aufgaben, ihren Ansatz anzupassen und zu optimieren.
Über das von der Carl-Zeiß-Stiftung geförderte Projekt „Material innovations for wafer-level packaging technologies“ informierte Professor Roy Knechtel, Inhaber der Professur für Autonome Intelligente Sensoren. Dieses Verfahren bietet die Möglichkeit, im Vergleich zur klassischen Herstellung kleinere und kosteneffizientere integrierte Halbleiterbauelemente herstellen zu können. Üblicherweise werden die dünnen Siliziumscheiben, die Wafer, zunächst getrennt und im Anschluss in einem komplexen Prozess mit einem Umgehäuse und elektrischen sowie Montageanschlüssen versehen. Im „wafer-level packaging“-Verfahren indes werden die Komponenten schon auf dem Wafer selbst aufgebracht und eingehaust. Durch diese 3D-Integration lassen sich noch kleinere, leistungsstarke Chips herstellen, wie sie zum Beispiel für Smartphones der neueren Generationen Verwendung finden. Ein anderes Beispiel eines solchen Chips sind die Infrarot-Sensoren der Smartwatch eines namhaften Herstellers. In dem Forschungsprojekt ergeben sich zugleich enge Kooperationsmöglichen mit der Materialwissenschaft und den technischen Möglichkeiten von 3D-Druck-Systemen.
Den Abschluss des ersten Blocks machte dann der Vortrag Norbert Greifzus vom Team der „Eingebetteten Diagnosesysteme (EDS)“. Er stellte eine Kooperation zwischen der Elektrotechnik und dem Maschinenbau vor, bei dem es um den Einsatz künstlicher Intelligenz bei Verfahren des Spritzgusses geht. Kurzum können verschiedene Sensordaten und speziell trainierte Programme dabei helfen, fehlerhafte Teile zu prognostizieren und so rechtzeitige Eingriffe in die Fertigung vorzunehmen, um diesen Ausschuss zu vermeiden. Hier werden unter anderem Messungen von Temperatur und Druck verwandt und auf Basis der Verläufe vieler vorheriger Messungen bewertet. Wichtig ist hierbei zugleich, dass die Modelle der künstlichen Intelligenz das Zustandekommen ihrer Beurteilung transparent machen, um so letzter die Akzeptanz bei den Nutzenden zu erhöhen. Dies wäre zum Beispiel über eine graphische Ausgabe von Markierungen an Verlaufskurven der Temperatur oder des Drucks möglich.
Infrarotsensoren, Mikrostrukturen und 3D-Drucker
Der zweite Teil des E-Science-Days wurde mit einem online-Vortrag von Rachel Gleeson vom belgischen Unternehmen Melexis eingeläutet. Sie kooperiert in ihrer Forschung mit dem in Erfurt ansässigen Unternehmen X-FAB sowie mit Roy Knechtel. In ihrem Beitrag konturierte sie zunächst die Breite der Anwendungsmöglichkeiten von miniaturisierten Infrarotsensoren, denen über die Messung der thermischen Strahlung die präzise berührungslose und somit schnelle Ermittlung von Temperaturen möglich ist. Dieser Auffächerung zuvor ging ein Blick auf die Komplexität der Integration der Komponenten in eines Mikro-Elektro-Mechanischen Systems (MEMS) bei einer gleichzeitigen Minimierung des Platz- und Stromverbrauchs. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass es unterschiedliche Infrarotsensoren für verschiedene Anwendungen gibt, zum Beispiel unterscheiden man Sensoren für punktuelle Messungen und bildgebende Sensorarrays. Je nach Anwendungsfeld unterscheiden sich auch die Ansprüche an Präzision: So nimmt sich die erforderte Exaktheit auf dem Gebiet medizinischer Anwendungen um einiges höher aus, als bei Produkten für Konsumenten wie zum Beispiel Fitnesstrackern oder Heimelektronik.
Die Infrarotsensoren finden in unserer Gegenwart bereits breite Verwendung: Zum einen in Geräten wie Smartphones und -watches, die so die Körpertemperatur ermitteln können. Damit ist die Health-Tech ein relevantes Anwendungsfeld, das noch an Bedeutung gewinnen wird. Ein zentraler Pluspunkt in diesem Bereich medizinischer Anwendungen ist, dass die Temperaturmessung ohne direkten Kontakt funktioniert. Andere Gebiete sind zum Beispiel die wärmesensorische Vermessung von Gebäuden, was unter anderem dem Auffinden von Stellen dient, an denen Wärme verloren geht. Ein Nebeneffekt der Vermessung über Infrarotsensoren ist, dass sie ihre Daten anonymisiert erheben, sind doch Personen detektier aber nicht identifizierbar. Dies macht die Sensoren auch für die Überwachung und Automation von Gebäuden nützlich, wie zum Beispiel bei der smarten Steuerung von Licht- oder Heizungsanlagen, die z.B. in Bürogebäuden Anwendung findet.
Stephanie Lippmann forscht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu Themen der Materialwissenschaften und hat hier zurzeit eine Vertretungsprofessur für metallische Werkstoffe am Otto-Schott-Institut für Materialforschung inne. Grundsätzlich widmet sie sich Aspekten der Metallphysik, genauer thermodynamischen und kinetischen Prozessen bei mikroskopischen Strukturveränderungen der Werkstoffe während Zustandsänderungen, sogenannten Phasenumwandlungen. Die Thermodynamik befasst sich zunächst als Teilgebiet der Physik mit Fragen der Umwandlung und Änderung von Energie innerhalb eines oder mehrerer Systeme.
Die Kinetik betrachtet die Zeitabhängigkeit, also die Geschwindigkeit, dieser Umwandlungsprozesse. Im Fokus von Stephanie Lippmanns Forschung wiederum stehen die mikrostrukturellen Prozesse in metallischen Legierungen bei besonders schnellen Phasenumwandlungen, also wenn z.B. eine Schmelze erstarrt, aber auch bei Festkörperphasenübergängen während rascher Wärmebehandlungen. Den Prozessen dieser „rapid phase tranformations“ im Material versucht sie mittels einer spezifischen Testanlage und unter besonderen Konditionen nachzugehen, die eine sehr schnelle Erhitzung und Abkühlung der Testobjekte bietet. Um diese Umwandlungsprozesse genauer zu verstehen, verwendet Stephanie Lippmann die thermo-kinetische Modellierung, mit dem Ziel, die Materialstruktur, das sogenannte Gefüge, gezielt anhand der Zusammensetzung und der Wärmebehandlung einstellen zu können. Über die Steuerung des Gefüges ist es schließlich möglich, die Eigenschaften einer Legierung für die gewünschte Anwendung zu optimieren.
Für die Elektrotechnik ist diese Forschung der benachbarten Disziplin gerade deswegen so relevant, weil solche strukturellen Umwandlungsprozesse auch bei der Herstellung und Qualifizierung von mikroelektronischen Schaltkreisen auftreten. Ein grundlegenderes Verständnis hilft unter anderem auch die Ursachen von Mängeln im elektronischen Bauteil zu verstehen. Da in den zunehmend komplexeren, und weiter miniaturisierten Objekten die Anforderungen an die Reinheit und Zuverlässigkeit der verwendeten metallischen Komponenten immer weiter steigen, ist es hier zentral, voneinander zu lernen. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen des bereits vorgestellten Projekts „Material innovations for wafer-level packaging technologies“ eine Kooperation zwischen Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Hochschule Schmalkalden auf den Weg gebracht.
Den offiziellen Teil des E-Science-Day abrunden durfte Martin Hedges von der Neotech AMT GmbH aus Nürnberg, wobei die Abkürzung für Advanced Manufacturing Technologies for 3D Printed Electronics steht und sich das Unternehmen entsprechend vor allem im Bereich des 3D-Drucks von komplexen elektronischen Bauteilen einen Namen gemacht hat. Durch diese Expertise ergab sich auch die Kooperation mit der elektrotechnischen Fakultät und mit Roy Knechtel. Wie dieser schon in seiner einführenden Vorstellung klarmachte, ist eine Vision in der Elektrotechnik, ein Gerät zu haben, dass vollständige elektronische Bauteile wie Schaltungen herstellen kann. Die 3D-Drucker, die Neotech entwickelte, kommen diesem Ziel schon recht nahe.
Der 3D-Druck von elektronischen Bauteilen hat allen voran den Vorteil, ein schnelles und günstiges Prototypingverfahren zu sein und zugleich eine Vielfalt an möglichen Formen zu gestatten. Hierbei kommt hinzu, dass die 3D-Drucker von Neotech verschiedene Verfahren des 3D-Drucks als Funktionen bieten und sich so die Anwendungsbreite durch die Kombination noch deutlich steigern lässt. Ein Beispiel der neuen Möglichkeiten war die Herstellung einer Glühbirne: Bei üblichen Glühbirnen sind neben den Materialien, die das Produkt bei der Herstellung bedarf, auch die Ressourcen einzupreisen, die das Recycling verlangt. Der 3D-Druck lässt es hier zu, beide Enden bereits im Design zu bedenken und so nachhaltige Lösungen zu ermöglichen.
Im kleineren Rahmen wurde im Anschluss in den Räumen der Fakultät Elektrotechnik die Einweihung eines solchen 3D-Druck-Systems feierlich begangen, an dem Forschenden nun den Möglichkeiten und Grenzen dieser Herstellungsverfahren nachgehen werden. Ziel ist es gemäß der Vision, eine rein additive Herstellungsweise zu entwickeln, die es erlaubt, ganze elektronische Bauteile wie Sensoren zu produzieren. Möglich machte dies eine Förderung von der Europäischen Union.
Mitte Juni durfte die Hochschule Schmalkalden den Tag der Ingenieurwissenschaften unter dem Titel „risING. Regionale Innovationen, globale Transformationen“ ausrichten. In einem ganztägigen, abwechslungsreichen Programm präsentierten sich die Thüringer Ingenieurwissenschaften zugleich sich selbst und der interessierten Öffentlichkeit. In Vorträgen konnten sich verschiedene Projekte aus Forschung und Lehre vorstellen und Nachwuchswissenschaftler:innen in einem Pitchwettbewerb beweisen. Abgerundet wurde das Programm durch eine Präsentation aller eingereichten Poster und eine Ausstellung von Kooperationspartnern im Foyer. Prägend in allen Hinsichten blieb die thüringenweite, kooperative Ausrichtung der Ingenieurwissenschaften, die auch ein Markenkern der Allianz Thüringer Ingenieurwissenschaften darstellt.
Die Allianz THÜR ING ist ein Bündnis von sieben Thüringer Hochschulen mit ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen, das es sich zu Aufgabe gemacht hat, die Bekanntheit der Ingenieurwissenschaften in der Öffentlichkeit zu steigern. Ziel dieser Kooperation ist es zudem, junge Menschen für das Studium der Ingenieurwissenschaften zu begeistern und zu diesem Zweck die Vielfalt der Studiengänge, die Anwendungsnähe und die innovative Relevanz hervorzukehren. Ab von vielen weiteren wissenschaftskommunikativen Offerten sind es die Tage der Ingenieurwissenschaften, die eben solche Impulse setzen sollen. Neben der Allianz THÜR ING unterstützte die Thüringer Ingenieurskammer das Organisationsteam der Hochschule Schmalkalden bei der Umsetzung des Tages, zum Beispiel bei der Bewertung der Pitches und der Preisverleihung am Ende der Veranstaltung.
Um was es geht: Die Relevanz der Ingenieurwissenschaften
In seiner Begrüßungsrede wies Professor Gundolf Baier, Präsident der Hochschule Schmalkalden und Sprecher der Allianz THÜR ING, auf die verschiedenen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Gegenwart hin, auf welche die Ingenieurwissenschaften innovative Antworten finden müssten und auch würden: Neben der Demographie seien dies die Digitalisierung und die Dekarbonisierung – kurz die großen D‘s. Gerade im Falle der letzten beiden Herausforderungen werden die Potentiale der Ingenieurwissenschaften deutlich: Die techno- und ökologischen Transformationsprozesse prägen bereits unsere Gegenwart und unseren Alltag von der Kommunikation über Behördengänge bis hin zu Einkäufen, und werden dies in Zukunft wohl immer stärker tun. Darüber hinaus spielen die D’s aber auch eine immer größere Rolle für die Wirtschaft und den Standort Deutschland.
Hochschulen angewandter Wissenschaften nehmen die letzten beiden Impulse gesellschaftlicher Transformationen in ihrer Forschung auf und versuchen, neben ebenso relevanten Aspekten von Grundlagenarbeiten, anwendungsnahe Lösungsansätze für Gesellschaft und Wirtschaft zu entwickeln. Diese Implementierbarkeit ihrer Forschungsarbeiten und die Arbeit an konkreten Problemen ist ein gewichtiges Pfund, die mehr in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gerückt werden soll.
Anlässe wie die Tage der Ingenieurwissenschaften lassen sich nutzen, um mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten und diese über die Tätigkeiten und die Sinnhaftigkeit der Ingenieurwissenschaften zu informieren: Was sind die Themen der Ingenieur:innen, vor welchen Herausforderungen stehen sie und wie gehen sie mit den Aufgaben um? Welche Bereiche umfasst das ingenieurwissenschaftliche Spektrum und wie gestalten sich die internen und externen Austauschbeziehungen, zum Beispiel zu den Forschungseinrichtungen von Unternehmen? Wie lassen sich Patente einrichten, Start-Ups gründen oder Forschungsdaten in der wissenschaftlichen Community teilen? Der Tag der Ingenieurwissenschaften nutzte die Gelegenheit, um ein Licht auf diese verschiedenen Aspekte zu werfen.
risING: Impulse der Politik
Der Tag der Ingenieurwissenschaften steckte sein thematisches Portfolio bereits in seinem Titel „risING. Regionale Innovationen, globale Transformationen“ ab. Einerseits wird hierbei ein Bezug zur RIS-Strategie der Landesregierung hergestellt, die wiederum auf eine regionale Innovationsstrategie abzielt: Im Hinblick auf verschiedene Felder und thematische Komplexe rund um Zukunftsfragen wurden Akteure der Thüringer Forschungslandschaft anhand ihrer Schwerpunkte und Kompetenzen markiert. Das Ziel ist, dass die beteiligten Institutionen und Personen zu verknüpfen und den Austausch an Wissen und Expertise anzuregen, um und so schließlich die Forschung gemeinsam voranzutreiben. In Kooperationen lassen sich die Potentiale ganz unterschiedlicher Akteure und Regionen Thüringens produktiv nutzen, so die dahinterstehende Idee. In einem kleinen Bundesland wie Thüringen kann Forschung keine One-Man-Show sein, vielmehr legen die kurzen Wege eine enge, produktive Zusammenarbeit und die intensive Vernetzung nahe.
Kooperative Projekte sind in der Forschungslandschaft zwar keine neue Erscheinung, doch nimmt die Zusammenarbeit von Hochschule, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr zu. Da sich so die verschiedenen Schwerpunkte unterschiedlicher Akteure einbringen und die Beteiligten die Heterogenität der Forschungslandschaft gewinnbringend nutzen können, bieten sich diese Kooperationsprojekte zur Präsentation ingenieurwissenschaftlicher Aktivitäten und deren interdisziplinärer Potentiale an.
Forschungsprojekte: Intelligente Mobilität und 3D-Elektronik-Systeme
Am Tag der Ingenieurwissenschaften konnte Professor Frank Schrödel von der Hochschule Schmalkalden die hochschulübergreifende Forschungsgruppe vernetztes und kognitives Fahren, kurz CoCoMobility, vorstellen. Neben der HSM sind die Fachhochschule Erfurt, die Technische Universität Ilmenau und die Bauhaus-Universität Weimar an diesem Forschungsprojekt zum Thema intelligente Vernetzung moderner Mobilität beteiligt. Die Vielfältigkeit der Kooperationspartner spiegelt die Differenziertheit der hier einbegriffenen Themen: Neben der intelligenten Verkehrsinfrastruktur und der Vernetzung von Fahrzeugen, Infrastruktur und Testumgebungen arbeitet die Forschungsgruppe an Effekten auf den Verkehr, Aspekten der Sicherheit sowie an Einflüssen der Umwelt.
Die Umsetzung der neuen Mobilität angefangen beim autonomen Fahren bis hin zur smarten Verkehrslenkung bedarf der Kommunikation, zum Beispiel zwischen den Mobilen und der Infrastruktur. An dieser intelligenten Konnektivität forscht der Projektpartner TUI. Die BUW fokussiert sich auf den Ablauf des Verkehrs, also Fragen der Vorhersagbarkeit und u.a. individuell als angenehm empfundener Abstände. Die Steigerung der Verkehrssicherheit vulnerabler Gruppen steht im Blickfeld der FHE. Und die HSM widmet sich der menschenzentrieten autonomen Entscheidungsfindung im Kontext der autonomen Mobilität. In diesem kooperativen Forschungsprojekt können die unterschiedlichen Partner ihre Expertise einbringen.
Professor Roy Knechtel nutzte die Gelegenheit, um den neuen Forschungsschwerpunkt 3D-Elektronik-Systeme der Hochschule Schmalkalden vorzustellen. Die Welt der Mikroelektronik ist noch heute weitgehend eine Scheibe, sind doch jene dünnen Siliziumscheiben, die sogenannten Wafer, die Grundbausteine. Dennoch lässt sich ein Trend hin zur Dreidimensionalität feststellen: Um die Funktionen moderner smarter Geräte wie Handys oder Uhren erfüllen zu können, müssen Chips, Sensoren und andere technische Komponenten in die dritte Dimension wachsen: Kurzum geht es darum, hochkomplexe Bauteile zu stapeln und zu verbinden, um so immer kompaktere, effizientere Komponenten zu erzeugen und den Erfordernissen von Funktionalität, Formfaktor, Passgenauigkeit und Rentabilität gerecht zu werden.
Das Ziel des Projektes ist die Herstellung komplexer mikroelektronischer Bauteile direkt auf dem wafer, um so auch die Wertschöpfung einer bislang recht globalisierten Industrie vor Ort halten zu können. Um die für diese Bauteile notwendige Präzision erreichen zu können, muss ein Fokus auf den Materialien und der Strukturanalyse ihrer Charakteristika liegen. Neben Martin Seyring aus dem Team von Roy Knechtel ist mit Stephanie Lippmann von der FSU Jena und dem dortigen Otto-Schott-Institut für Materialforschung im Projekt für diese Aspekte eingebunden. Aber auch Unternehmen wie X-Fab beteiligen sich als Partner aus der Wirtschaft an diesem Forschungsschwerpunkt.
Nachwuchs: Die vielen Facetten der Ingenieurwissenschaften
Am Tag der Ingenieurwissenschaften gab auch dem akademischen Nachwuchs in unterschiedlichen Hinsichten Raum: Schon vor Längerem gab es einen Call for Poster, der um Einreichungen zu innovativen Themen der Thüringer Ingenieurwissenschaften aufrief. All diese eingereichten Poster wurden im Rahmen einer Präsentation per Slideshow gezeigt und gaben während der Pausen zu Gesprächen Anlass. Zudem wählte eine Jury aus den Einreichungen zwölf aus, die dann am Tag der Ingenieurwissenschaften ihr Poster in einem Pitch vorstellen konnten. Am Ende der Veranstaltung wurden wiederum durch eine Jury, unter anderem mit Vertreter:innen der Ingenieurskammer besetzt, die besten drei Pitches ausgewählt und die Gewinner mit einem Preisgeld bedacht.
Hier ist nicht genügend Platz, alle Beiträge eingehend zu würdigen, daher muss eine Synopsis genügen. Alle Pitches werden in Bälde auf dem Youtubekanal der Allianz THÜRING verfügbar sein, alle Poster sind auf der Seite der Hochschule Schmalkalden im Bereich Forschung zu finden. Zudem werden die Präsentationen, sofern möglich, ebenso auf diesen Seiten veröffentlicht.
Martin Patrick Pauli von der Hochschule Schmalkalden verdeutlichte die Folgen des Data-Leakage-Problems, welches bei dem Training von KI-Algorithmen mit Daten auftreten kann. Letztlich kann es dabei zu überoptimistischen Annahmen der Trefferquoten und damit zu einer Verzerrung der Ergebnisse kommen. Um diese nur scheinbare Lösung zu vermieden, gilt es ebenso aufmerksam gegenüber den Daten und ihrer Aufbereitung zu bleiben wie es nützlich ist, auf verschiedene Kontrollmethoden in der Datenverarbeitung zurückzugreifen.
Christian Diegel von der Technischen Universität Ilmenau stellte in seinem Pitch ein Verfahren vor, beim dem es um eine Optimierung des Laserstrahlschweißens geht. Infolge der hohen Prozessgeschwindigkeit lösen sich aus dem Schmelzkanal Spritzer ab, die dann wieder mehr oder weniger aufwändig entfernt werden müssen. Durch die Addition einer Nebenintensivität nahe dem zentralen Laser ließe sich das Schmelzbad vergrößern und so die Dynamik des Materials verringern, wodurch es wiederum weniger Ablösungen gäbe, so der Ansatz. Durch die Einbringung von Tracer-Teilchen ins Material konnte mithilfe von Hochgeschwindigkeits-Röntgenuntersuchungen die Fluidität des Materials beobachtet und Wege zur Optimierung des Laserschweißens gefunden werden.
Tobias Tefke stellte den Aufbau eines Ethical-Hacking-Labors inklusive einer Capture-the-flag-Umgebung vor, die den Studierenden der Informatik an der Hochschule Schmalkalden helfen soll: In virtuellen Arbeitsumgebungen geht es darum, mögliche Schwachstellen in der Infrastruktur von Softwaresystemen zu finden und die Lücken in der Sicherheit zu schließen. Hier verknüpfen sich also Ansätze der Informatik und der Didaktik.
Analoger nimmt sich das Projekt von Lucas Hauck, ebenfalls von der Hochschule Schmalkalden, aus: Er geht den technischen Herausforderungen, den Möglichkeiten und Grenzen der additiven Fertigung elektronischer Bauteile im dreidimensionalen Raum nach. Der 3D-Druck besticht dabei durch ein Angebot vieler Verfahren und die mögliche Verwendung unterschiedlicher Materialien sowie die Aufbringbarkeit auf multiple Untergründe. Hauck geht diesem Komplex anhand eines 3D-Druck-Systems nach, wobei dessen Flexibilität der möglichen Verfahren das Angebot denkbarer Lösungswege vervielfacht und übersichtlich macht. Um den Aufwand individueller Ansätze zu minimieren, soll ein grundlegender Verfahrenskatalog entwickelt werden, der den Umgang mit solchen Geräten über Designregeln standardisieren und vereinfachen soll.
Wie können Drohnen und künstliche Intelligenz die Bauindustrie unterstützen? In ihrem Pitch umriss Lisa Schneeweiß das Projekt BauKiRo, das sich neben der Aufzeichnung des Baufortschritts auch dem Vergleich der realisierten Bauausführung mit dem Bauplan widmet. Dieser Kooperation der HSM mit der FAU Erlangen-Nürnberg steht vor den Herausforderungen des Einsatzes von Drohnen in komplexen Umgebungen und KI-unterstützten Auswertung von Videoaufnahmen und dem Abgleich mit vorliegenden Plänen. Der Zweck dieses Projektes ist unter anderem, Baumängel frühzeitig zu erkennen.
Sreekar Babu Malli vom ThIWert, dem Thüringer Innovationszentrum für Wertstoffe, befasst sich im Projekt SeRo.inTech mit innovativen Technologien, wertvolle Rohstoffe aus Abfällen zu gewinnen. Er stellte das Kooperationsprojekt der HSN mit der BUW am Beispiel von Sperrmüll vor: In der üblichen Entsorgung von Abfällen bleiben Teile an verwertbaren Materialien und Rohstoffen ungenutzt. Das Projekt versucht unter anderem, die die großen Bestandteile an Holz im Sperrmüll aufzubereiten. Daran schließt sich eine Verteilung der Objekte nach Qualität und möglicher Weiterverwendung an. Ziel ist es, einen möglichst abgeschlossenen Kreislauf der verwendeten natürlichen Rohstoffe zu realisieren und selbst qualitativ minderwertige Materialien nachhaltig zu nutzen.
Michael Werner von der Hochschule Schmalkalden stellte das Innovationslabor KIOptiPak vor, das wiederum ein Teil des KI HUB Kunststoffverpackungen ist. Ziel dieser Kooperation verschiedener Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft ist es, Kunststoffverpackungen so zu gestalten, dass die Wiederverwertbarkeit maximiert und die Kunststoffabfälle von Verpackungen minimiert werden. Das KIOptiPak zielt dabei auf die Frage, wie Verpackungen designt sein müssen, um dieses Ideal eines Kreislaufs zu erreichen, zum Beispiel im Hinblick auf das verwendete Material und die direkte Einbeziehung von Vorgaben des Recyclings. Werners Interesse lag dabei auf der Qualität des wiederaufbereiteten Kunststoffreziklats und dem Umgang mit Schwankungen des Materials in der Verarbeitung. Diese Erkenntnisse sollen dann in KI-Modelle einfließen, die anhand der Vermessung des verwandten Materials schon bei laufender Produktion Angaben über die Güte und Verwendbarkeit des Produkts geben können.
Ein Thema, das Aspekte von Forschung und Transfer mit einem didaktischen Ansatz verknüpft, stellte Carsten Gatermann von der TUI vor: Ausgangspunkt war die Frage eines Schülers, ob sich eine vertikale Windenergieanlage auch in Privathaushalten installieren ließe. Neben den elektrotechnischen Fragestellungen galt es, der kreativen Neugier des Schülers Raum zu lassen: Wie müssen Projektarbeiten gestaltet werden, um den individuellen Freiraum der Forschung mit der notwendigen Unterstützung und Orientierung zu verbinden? Der Ansatz „Knowledge on Demand“ trennt Themen in Teilaufgaben, zwischen denen sich die Beteiligten immer wieder abstimmen: Weil das selbstständige Arbeiten von den Schülern erst erlernt werden muss, wird die eigenständige Forschung mit einem engen Betreuungsverhältnis ergänzt. Je nach individuellem Vermögen können dann die Aufgaben dann frei oder gesteuert angegangen werden.
Wie lässt sich der natürliche Rohstoff Holz weiter nutzen? Daniela Pachatz von der HSM stellte drei Anwendungsbeispiele aus dem Projekt FiWood vor, in dem um die Integration von Funktionen in Schichtholzprodukten geht. Ein Projekt ist ein Sitzpult, in das verschiedenen Funktionen wie eine Heizung und Sensoren (Temperatur und u.a. Luftfeuchte) eingelassen sind. Die Wärmefunktion ist auch Teil von Bodenheizelementen, die über die Abgabe von Infrarotwärme den Effekt der thermischen Behaglichkeit erreichen sollen. Nicht zuletzt lassen sich auch LED-Arrays in den Furnieren integrieren, und so leuchtende Holzelemente herstellen.
Walpola Perera von der FHE ist Teil des Forschungsprojektes Kimono-EF, das die Mobilität beeinträchtigter Menschen im Stadtraum sicherer machen will. Weil die Grünphasen von Ampelanlagen oftmals zu kurz sind, um betroffenen Menschen eine vollständige Überquerung der Straßen oder Straßenbahnschienen zu erlauben, soll hier innovative Technologie Einzug halten. Zunächst werden mit KI-optimierten Erfassungssystemen wie Kameras Personen frühzeitig ausfindig gemacht, die einen längeren Zeitraum für die Querung benötigen könnten, zum Beispiel Personen in Rollstühlen oder mit Kinderwägen. Anschließend werden die spezifischen Grünphasen verlängert und die anderen Verkehrsteilnehmer informiert. Weiter gedacht könnte mit Hilfe dieser Benachrichtigungssysteme auch eine intelligente Verkehrssteuerung autonomer Fahrzeuge ergänzt werden.
Einen Ansatz, die Photolithographie mit extremem ultraviolettem Licht zu verbessern, stellte Niranjan Kannali Ramesha von der HSM vor. Moderne Computerchips werden durch ein spezifisches Verfahren hergestellt, das sich als Buchdruck mit Licht umschreiben ließe. Auf dem Wafer, also einer Siliziumscheibe, wird eine photosensitive Schicht aufgetragen und dann durch eine Maske hindurch dem Licht ausgesetzt, wodurch sich hochkomplexe und kleine elektronische Bauteile wie Transistoren aufbringen lassen. Der bestimmende Faktor der Größe der Bauteile ist momentan die Wellenlänge des Lichts, wodurch sich der Einsatz extremen ultravioletten Lichts erklärt. Um die Produktionskapazität zu steigern, müssen kraftvollere EUV-Quellen als die bislang genutzte Variante über Zinnkügelchen gefunden werden. Das Projekt ging dem Ansatz nach, das EUV von Freien-Elektronen-Lasern wie dem FLASH als Quelle zu nutzen. Zentral ist hierbei die Frage, ob und wie sich das EUV-Licht in einem Fokuspunkt konzentrieren lässt, wofür wiederum die Erfassung der Wellenfront eine entscheidende Rolle spielt. Im Weiteren brauche es optische Systeme, die Abweichungen der Wellenfont korrigierten.
Martin Sennewald (TUI) stellte abschließend einen Aspekt des Forschungsprojektes DimFSW vor, das darauf abzielt, die Beschädigungen von Werkzeugen bei Schmelzschweißverfahren wie dem Rührreibschweißen abzuschätzen und das Aufkommen von Ausfällen von Produktionsabläufen zu minimieren. Die Fügetechnik stehe grundsätzlich vor steigenden Herausforderungen, unter anderem aufgrund wachsender Ansprüche der Bauteilkomplexität, dem Leichtbau und der Qualität. Zum Beispiel verlangt die Elektromobilität weitaus komplexe Bauteile als die bisherigen Modelle. Für die Fertigung folgen hieraus nicht nur die Wirkung hoher Prozesskräfte, sondern auch ein erhöhter Verschleiß der Werkzeuge. Wie lässt sich dieser Verschleiß so bestimmen, dass Ausfälle in laufenden Produktionsprozessen vermieden werden können? Der Ansatz ist, auf die tatsächlichen Prozesskräfte und -momente wie der vorliegenden Spannungen am Schweißstift im Prozess zurückzugreifen, wobei diese aus den Kraft-/Drehmomentdaten gewonnen werden.
Nachhaltigkeit und Netzwerke, Daten und Patente
Neben diesen konkreten Forschungsvorhaben gab der Tag der Ingenieurwissenschaften auch Projekten Raum, die Forschung und Lehre strukturell verbessern wollen. Mit ThüLeNa präsentierten die Professoren Frank Pothen (EAH) und Matthias W. Schneider (HSM) ein jüngst gestartetes Projekt, das sich dem Aspekt der Nachhaltigkeit im Lehren und Lernen widmet und dies stärken will. Dieser Nachhaltigkeitsgedanke umfasst Aspekte der Entwicklung neuer Technologien ebenso wie eine soziale und ökologische Verantwortung sowie die Einholung sozialer und ökonomischer Akzeptanz. Das Ziel von ThüLeNa ist es, die Ingenieurwissenschaften auf diese Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen vorzubereiten und die Transformation produktiv zu begleiten, und zum Beispiel die Nachhaltigkeit in Lehrformaten zu integrieren und bereits vorhandene Strukturen und Kompetenzen zu stärken.
Wie lässt sich die Forschung und Entwicklung in Thüringen kooperativ verknüpfen? Das Thüringer Zentrum für Maschinenbau nimmt sich dieser Aufgabe an, wie Dr. Andreas Patschger in seinem Vortrag deutlich machte. Das ThZM ist eine Kooperation aus fünf Forschungseinrichtungen, u.a. der TUI und der HSM, das sich neben wirtschaftspolitischen Impulsen vor allem dem Wissens-Transfer hin zu kleinen und mittleren Unternehmen verschrieben hat. Es geht also darum, gefundene Lösungen in die Anwendung zu bringen und hierzu Institutionen der F&T mit den zentralen Akteuren, also Unternehmen, in Kontakt zu bringen. Beide Seiten können hierbei voneinander lernen. Ein weiterer Ansatz des ThZM ist zudem die Netzwerkarbeit, um die Akteure in Austausch zu bringen, zum Beispiel in Formaten wie der Cross-Cluster-Initiative Thüringen. Hierin tauschen sich kleine und mittlere Unternehmen über ihre Erfahrungen, Bedarfe und gemeinsamen Interessen aus, was zukünftigen Kooperationsprojekten ebenso den Weg ebnet wie es den Partnern einen Überblick in geteilte Problemlagen erlaubt. Nicht nur können die Beteiligten so von best-practise-Beispielen profitieren, sondern auch mögliche Kooperationspartner in der Nachbarschaft kennengelernt werden.
Eine andere Frage ist die der Forschungsdaten, wobei hier nicht nur an die Statistiken empirischer Sozialwissenschaften zu denken ist, sondern auch an die massiven Datenmengen, die zum Beispiel im Maschinenbau per Sensoren an den Werkzeugen erhoben werden. Da diese Informationen mit viel Aufwand gewonnen werden, ist es sinnvoll und von einem allgemeinen wissenschaftlichen Interesse, die erhobenen Daten zu teilen, im Kreise der Wissenschaft oder auch in der Öffentlichkeit. Um Wissenschaftler:innen bei diesen Projekten zu unterstützen wurde mit dem FDM-HAWK eine Initiative des Forschungsdatenmanagement ins Leben gerufen, deren Mitarbeiter:innen auf verschiedenen Feldern helfen können. Wie Sarah Boelter (EAH Jena) hervorhob, fängt dies bereits bei grundsätzlichen Dingen wie dem Datenschutz- und der -sicherheit an, geht über den planvollen Umgang mit Daten und ihrer Erhebung schon im Vorfeld und reicht bis in Detailfragen wie den passenden Metadaten, verlässlichen Plattformen und den kompatiblen Formaten der entsprechenden Daten.
Ein anderer Punkt sind die Patente: Jan Axel Schleicher gab einen Einblick in seine Tätigkeit und die Aufgabe von PATON, dem Landespatentzentrum Thüringen. Letztlich ist es das Ziel, unter anderem Wissenschaftler:innen dabei zu unterstützen, Patente zu beantragen und die verschiedenen Fallstricke einer solchen Anmeldung zu vermeiden. Welche Kriterien müssen erfüllt werden, um ein Patent anmelden zu können? Hier ist unter anderem an den Stand der Technik zu denken, dessen Mängel und das Potential der Erfindung, wobei hier wiederum zwischen der Aufgabe und der Lösung der Erfindung geschieden werden kann. Nicht zuletzt stellte Schleicher den Ablauf einer Patentanmeldung vor, um eventuell Betroffenen eine Orientierung zu geben.
Sven Uwe Büttner vom StarterWerk gab einen Überblick über die Dos and Don’ts von Existenzgründungen: Was braucht es eigentlich, um erfolgreich von einer Idee zu einer Unternehmung zu gelangen? In das Zentrum stellte Büttner das kreative, engagierte Individuum, das eine Idee verwirklichen will. Neben der Definition einer Baseline, der Perzeption des Marktes und der Interessen potentieller Kund:innen ging es um die Nutzung wichtiger Kontaktnetzwerke und die Fokussierung gepaart mit einer Offenheit, die den Weg zum Ziel nicht weniger gerichtet, nur etwas breiter werden lässt.
Ein Fazit
Am Ende des Tages konnten die Gäste, die Referierenden und das Organisationsteam auf einen erfolgreichen, informativen Tag der Ingenieurwissenschaften zurückblicken, der verschiedene Aspekte der Thüringer Ingenieurwissenschaften beleuchtete und der zugleich ebenso für die Öffentlichkeit wie für Wissenschaftler:innen lohnenswerte Inhalte bereithielt.
Die Veranstalter wollen zum Abschluss allen Beteiligten danken, die im Vorfeld oder am Tag selbst mit ihrem Engagement für das Gelingen beitrugen.
Der Begriff „Künstliche Intelligenz (KI)“ kann, je nach sozialer Prägung, bei jedem Leser oder Leserin eine andere Assoziation auslösen. Je nach Alter, Interessen oder auch technischer Begeisterung kann sich der ein oder andere an unterschiedliche Computerspiele, Filme oder auch Bücher mit verschiedenen Arten an KI aus seiner Kindheit erinnern. Somit tragen Science Fiction oder allgemeiner die Kulturindustrie jeder Dekade ganz eigene Bilder artifizieller Intelligenz: Ob wir an das sprechende Auto „KITT“ aus der Knight Rider, selbst steuernde Raumschiffe oder humanoide Roboter, wie „Data“, aus der Serie Star Trek oder an künstlichen Neuronalen Netzen (KNN), Deep Learning (DL) oder ChatGPT als Large Language Model (LLM) denken, kann man nur schwer, durch aufwendige Umfragen oder persönliche Gespräche herausfinden. In vielen Narrativen unserer Gegenwart kommt noch die Tendenz einer globalen Dominanz hinzu, die Seitens autonom agierender Roboter, Programme oder Netzwerke ergriffen oder zumindest angestrebt wird. Dies mag einen Grund in der steigenden Verbreitung smarter Geräte und der umfassenden Digitalisierung sowie der Abhängigkeit unserer Alltagsroutinen von diesen Technologien haben. All diesen Bildern der Künstlichen Intelligenz ist dabei gemein, dass sie zu der realen Version nur überschaubar viele Parallelen aufweisen.
In der banalen Wirklichkeit verliert die KI zwar viel von den popkulturellen Etiketten zwischen Idealisierung und Dämonisierung, sie gewinnt aber zugleich an praktischen Nutzen. Um zu verstehen, was Künstliche Intelligenz ist, worin ihre Potentiale und Schwächen im Allgemeinen wie im Besonderen liegen und was letztlich ihr Nutzen ist, muss also zunächst von den Zerrbildern Abstand genommen werden, auch wenn sie sich durchaus als Einstieg in Ausführungen wie diese eignen.
Künstliche Intelligenz (KI)
Künstliche Intelligenz lässt sich am ehesten als ein Werkzeug beschreiben, das bei der Verarbeitung von Daten den Menschen Hilfestellung leisten soll. Der Bereich der KI ist eine Untergruppe aus dem Forschungsgebiet des Maschinellen Lernens (ML). Beide Begrifflichkeiten lassen sich meist nicht scharf von einander trennen und gehen fließend in einander über. Für beide Themenkomplexe kann jedoch gesagt werden, dass in der Vergangenheit die Herausforderungen in den Fragestellungen „Wie komme ich an Daten?“, „Welche Sensoren kann ich einsetzen?“ oder „Wie kann ich diese Daten auswerten?“ zutreffend waren. Die aktuellen Fragestellungen gehen eher in die Richtung: Wie kann ich diese Mengen an Daten komprimieren, auswerten oder die Entscheidung nachvollziehen? Hier kommen dann Begrifflichkeiten wie z.B. Big Data, Dimensionsreduktions-Algorithmen oder erklärbare KI (englisch explainable artificial intelligence (XAI)) zum Einsatz.
Das Forschungsgebiet der großen Datenmengen (Big Data) ist ursächlich aus der großen Verbreitung an Sensorik oder Informationsquellen entstanden. Heutzutage besitzen fast alle Menschen auf der Welt eine Smart Phone oder PC. Infolge der Möglichkeit, kostengünstige Mikroelektronik oder Sensorik herzustellen, gibt es eine Unmenge an potentiellen Datenquellen, welche die Menschen bei einer Auswertung oder Bewertung überfordern können. Hierfür müssen effiziente und schnelle Algorithmen entwickelt werden, welche es dem Menschen in annehmbarer Zeit ermöglichen, komplexe Zusammenhänge in den Daten zu erkennen und auch verstehen zu können. Die somit entstehenden komplexen Programme sind durch die hohe Rechenleistung in der Lage, Daten maschinell zu erfassen, Muster und Strukturen sowie unter anderem Synchronitäten, Parallelen und Divergenzen von Prozessen zu erkennen und zu verknüpfen. So lassen sich mehr und mehr Informationen aus den großen Beständen an Daten ziehen und für nachlaufende Erklärungen, tiefere Verständnisse des Gegebenen und vorlaufende Abschätzungen der möglichen Zukunft nutzen. Gerade weil die Vermessung unserer Welt durch Sensoren in Geräten z.B. Smartphones oder auch modernen Automobilen immer weiter voranschreitet, wächst ein Fundus an Wissen, der produktiv genutzt werden kann.
Zugleich ist es angebracht, nicht von der einen Künstlichen Intelligenz zu sprechen, sondern dies eher als Sammelbegriff verschiedener, teils recht unterschiedlicher Formen von KI zu verstehen. Künstliche Intelligenz umfasst diverse Verfahren der Datenverarbeitung, die sich für unterschiedliche Kontexte, Fragenstellungen und Materialien eignen. Es verhält sich also so wie bei vielen anderen angewandten Wissenschaften: Es gibt nicht ein generelles Verfahren, sondern verschiedene Ansätze mit unterschiedlichen Charakteristika. Zum Beispiel können KI-Modelle, die sich für Bildererkennung eignen, nicht für Sprachprogramme wie Chat GPT verwendet werden.
Damit ist auch schon eine Schwäche in der Nutzung von KI angesprochen: Nicht alle Modelle eignen sich für jede Anwendung. In anderen Worten muss für die Aufgabe, gerade wenn sie einem speziellen Zweck dient, zunächst das passende Verfahren gefunden und mit passenden Daten angelernt, getestet oder nachtrainiert werden. Die Nutzung der KI-Modelle ist demzufolge keine one-fits-all-Lösung, sondern bedingt einen Anpassungsprozess. Für manche Aufgaben eigen sich z.B. Unscharfe Regelwerke (Fuzzy Modelle), Support Vektor Maschinen (SVM) oder künstliche neuronale Netze, welche sich an der Funktionsweise des Informationsaustausches zwischen menschlichen Nervenzellen anlehnen.
Bilder und Werkzeuge
Die Komplexität dieser Anpassung könnte an Komplikationen bei der Bilderkennung klarer werden, wobei hier noch ein epistemologisches Problem auftritt. Digitale Bilderkennungsverfahren arbeiten mit zweidimensionalen Objekten, denen also die räumliche Tiefe fehlt. Diese muss gewissermaßen als Vorder- und Hintergrund wieder in das Bild hineingelesen werden: Die Dreidimensionalität, die distinkten Objekte und selbst der Fokus müssen demnach erst erarbeitet werden. Was die Programme vor Herausforderungen stellt, ist dem Menschen schon in seinem Zugang zur Welt quasi natürlich gegeben. Gerade weil die eigentliche Objekterkennung und -unterscheidung fundamentale Aufgaben sind, können hier spannende Probleme entstehen: Ein gerne gebrachtes Beispiel ist die aus der Literatur bekannte Methode der One-Pixel-Attack[1]. Hier kann die maschinelle Bewertung durch ein Bilderkennungsalgorithmus, durch die Änderung eines einzigen Pixels in einem Pferdebild zu einer Fehlklassifikation zu ein Frosch führen. Die Funktionsweise der KI-Modelle ist also noch nicht perfekt, auch wenn sich ihre Güte – man denke nur an die Gesichtserkennung von Smartphone-Kameras – in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert hat.
Was meint es nun, von der Künstlichen Intelligenz als Werkzeug in der Industrie zu sprechen? Stellen wir uns einen Produktionsprozess von Plastikteilen vor: Wir haben auf der einen Seite die vielen kleinen Plastikkügelchen am Anfang, die aufgeschmolzen und in eine bestimmte Form gebracht werden, um zum Ende als gefertigtes Teil aus der Maschine entnommen zu werden. Was zunächst wie ein idealer, unendlich wiederholbarer Vorgang erscheint, hängt im Alltag der Produktion von vielen Faktoren ab. Die Erfahrung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit den Maschinen und Materialien ist hier für den Produktionsprozess zentral, und wird es absehbar bleiben. Eine hilfreiche Komponente kann aber zugleich eine Sensorik sein, die unter anderem Parameter wie Temperatur und Druck permanent misst und eine erste Auskunft über die erwartbare Güte der produzierten Teile zum Beispiel durch eine Ampel gibt, bzw. vor wahrscheinlichen Fehlern warnt und Anpassungsvorschläge liefert. Für solche in den Produktionsprozess integrierten Beurteilungen ist nicht eine Messung entscheidend, sondern ein Zusammenspiel verschiedener Werte und Schwellen sowie unterschiedlicher, teils zusammenhängender Verläufe, wodurch sich dynamische Verarbeitungssysteme wie KI-Modelle anbieten. Moderne Sensoren sind nicht nur hochempfindlich, sie können auch an Punkten angebracht werden, die dem Menschen während der Produktion nicht zugänglich sind. Der Mensch wird hier also nicht ersetzt, sondern durch die Technik unterstützt. In verschiedenen Forschungsprojekten wie z.B.: „Powermoulds“, „Wasabi“ oder auch „SMoSys“ arbeiten Manuel Schneider und Norbert Greifzu aus dem Team der „Eingebetteten Diagnosesysteme (EDS)“ von Professor Andreas Wenzel an solchen Lösungen für eine smarte Industrie und dem Einsatz vom KI an anwendungsnahen Problemstellungen. Die Forschungsgruppe EDS ist Teil einer Hauptforschungsrichtung „Adaptiven Signalanalyse“ der Hochschule Schmalkalden. Interessante Veröffentlichungen der Forschungsgruppe sind:
Literaturverzeichnis
[1]
N. Greifzu, M. Schneider, M. Werner, N. Fränzel, A. Wenzel und C. Walther, Bewertung von Produktionsprozessen mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz, 2020.
[2]
M. Schneider, N. Greifzu, L. Wang, A. Wenzel, L. Pu und C. Walther, „An end-to-end machine learning approach for time series with varying lengths,“ Neural Computing and Applications, Nr. 10.1007/s00521-024-09473-9, 2024.
[3]
H. Siebald, F. Pforte, B. Kulig, M. Schneider, A. Wenzel, M. Schweigel, J. Lorenz, H.-H. Kaufmann, J. Huster, F. Beneke und O. Hensel, „Referencing acoustic monitoring of cutting knives sharpness in agricultural harvesting processes using image analysis,“ Biosystems Engineering, Bd. 226, Nr. 10.1016/j.biosystemseng.2022.12.007, p. 86–98, February 2023.
[4]
D. Schneider, M. Schneider, M. Schweigel und A. Wenzel, „Application of various balancing methods to DCNN regarding acoustic data,“ Proceedings 30. Workshop Comupational Intelligence, Nr. ISBN: 978-3-7315-1051-2, November 2020.
[5]
M. Schneider, N. Greifzu, C. Walther und A. Wenzel, „Übertragung von anwendungsnahen Problemstellungen des Maschinellen Lernens aus der Forschung in die Lehre,“ Berlin Journal of Data Science, Bd. 1, February 2020.
Wie viele andere Bereiche auch ist der Werkzeugbau eine eigene Welt. Zuerst muss natürlich geklärt werden, um was es überhaupt geht: Der Werkzeugbau ist ein Teilbereich des Maschinenbaus, der sich mit der Herstellung von Werkzeugen, zum Beispiel Fräswerkzeugen für die industrielle Produktion, befasst. Dieser Arbeitsbereich erstreckt von verschiedenen Verfahren über unterschiedliche Schneidstoffe, also Materialien der Werkzeuge, bis hin zu Fragen unterschiedlicher Beschichtungen. Einen Eindruck in diesen für sich facettenreichen Bereich konnte man vor Kurzem im Rahmen der „15. Schmalkalder Werkzeugtagung“ am 8. und 9. November 2023 erhalten, die als Kooperation der GFE – Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung Schmalkalden e.V., des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im VDMA und der Hochschule Schmalkalden an eben dieser Hochschule stattfand und zu einer der größten Veranstaltungen dieses Bereichs zählt.
Im Fokus stehen also hochpräzise und zugleich robuste Werkzeuge der industriellen Zerspanungstechnik. Unter das Zerspanen fallen verschiedene Verfahren wie das Drehen, Fräsen und Schleifen, die Werkstücke in eine bestimmte Form bringen. Als beispielhafte Vereinfachung für das Verständnis des Fräsens bietet sich das Bild von Bohrwerkzeugen an, wie wir sie alle aus unseren Bohrmaschinen kennen. Auch wenn wir dabei die Erfahrung unterschiedlicher Qualitäten dieser Werkzeuge sammeln können und sich die Schärfe und der Verschleiß verschiedener Typen nicht unwesentlich unterscheidet, ist der Grad an Belastung in der Produktion der seriellen Industrie um einiges höher.
In Bereichen der Automobil- oder auch Flugzeugproduktion geht es um enorme Stückzahlen und hocheffiziente, optimierte Fertigungsprozesse, in denen der Ausfall oder der Austausch von Werkzeugen hohen Aufwand und hohe Kosten verursachen. Die hier verwandten Werkzeuge müssen also präzise wie verlässlich arbeiten und zugleich robust sein. Hier kann nun die Forschung ansetzen und die Industrie unterstützen: In der Erforschung neuer Methoden und Materialien kann die Funktionsweise optimiert und der Verschleiß minimiert werden, wodurch nicht nur die Produkte besser, sondern auch die Fertigungsprozesse effizienter werden.
Verschiedene Wege, ein Ziel
Moderne Produktionsverfahren sind hochkomplex, was Ansätze der Forschung zugleich kompliziert und diversifiziert: Kurz gesagt kann es den Forschenden nunmehr nur um kleine Bereiche gehen, auf die sie sich spezialisieren. Tagungen haben die Aufgabe, neben einer Leistungsschau der Fähigkeiten und der Vorstellung innovativer Projekte und Ansätze die verschiedenen Bereiche in Kontakt und Austausch über die aktuellen Themen und Herausforderungen ihrer Gebiete zu bringen.
Die Werkzeugtagung wurde nach den Grußworten von einem Vortrag über die Vorzüge des Einsatzes von Lasertechnik anstatt von Zerspanwerkzeugen zur Herstellung von Umformwerkzeugen. Diese Technik ist im Bereich des Werkzeugbaus noch wenig verbreitet, so dass es nun zunächst darum geht, die möglichen Potentiale und Konditionen der Verwendung zu klären. Wie alle Fertigungsverfahren hat auch dieses einen speziellen Einsatzbereich, in dem es sinnvoll ist, auf diese Technik zurückzugreifen. Gerade wenn es um die Herstellung enorm kleiner, filigraner Formelemente geht, bei denen selbst spezielle Mikrofräsmaschinen kaum mehr arbeiten kann, bietet sich der Laser als Alternative zur Zerspanung an. Diese Richtung, der Sinnhaftigkeit und Nutzbarkeit verschiedener Ansätze für unterschiedliche Zwecke prägte die Tagung.
In diesem Sinne wurde auch der Dissens zwischen additiven und subtraktiven Verfahren als letztlich wenig produktiv bei Seite geschoben: Es kann nicht darum gehen, jenes eine, universell anwendbare Herangehen zu finden, den klassischen Stein der Weisen, sondern die Vorzüge und Nachteile unterschiedlicher Methoden für verschiedene Zwecke zu verstehen. Gerade bei hochkomplexen Werkzeugen, die in eher überschaubaren Mengen produziert werden, ist der Rückgriff auf Verfahren wie den 3D-Druck sinnvoll. Dagegen lassen sich hohe Stückzahlen zu geringen Kosten durchaus mit den etablierten Zerspanverfahren realisieren. Letztlich nimmt also kein Teilbereich einem anderen etwas weg, vielmehr ergänzen sie sich in den verschiedenen Herausforderungen der Anwendungsfelder.
Impulse
Auch wenn die Welt des Werkzeugbaus eine eigene ist, so steht sie doch in Kontakt mit der Außenwelt und ihren Entwicklungen. Im Fokus der Tagung standen auch die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung von Künstlicher Intelligenz: Aus Sicht der Praxis ist es weder möglich, auf die Verbesserungen digitaler Lösungen in toto zu verzichten, noch in einen naiven Lobgesang einzufallen, der in der Künstlichen Intelligenz ein Allheilmittel sieht. Die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz bieten im Werkzeugbau und der Optimierung der Produktion nützliche Verbesserungen, die es den verantwortlichen Personen einfacher machen. Genau hier gilt es Mittel und Wege zu finden, die neuen Techniken adäquat zu nutzen und sie in die lernenden Prozesse der Produktion einzubinden.
Eine weitere durchschlagende Veränderung ist der Anspruch der Nachhaltigkeit, der sich in unserer Gegenwart auch dem Maschinenbau als Herausforderung stellt. Diese Aufgabe ist für die Ingenieure aber keinesfalls das sprichwörtliche Neuland, ging es doch schon immer darum, mit Ressourcen wie Rohstoffen und Energie schonend umzugehen und den Verbrauch und damit die Kosten zu minimieren. In die Zukunft gedacht sind es Maschinen- und Werkzeugbauer, die technische Lösungen finden müssen, wie wir unsere Standards der Produktion halten und zugleich die Gebote der Nachhaltigkeit konsequenter umsetzen können. Wieder ist es kein Gegen-, sondern ein Miteinander, was sinnvoll und erstrebenswert ist.
Zusammen // Arbeiten
Der Austausch verschiedener Perspektiven wurde im Rahmen der Tagung in den Vordergrund gerückt. Wie wir schon verdeutlichten, gibt es zu verschiedenen Ansprüchen des Werkzeugbaus ganz unterschiedliche Lösungsansätze, ebenso in Hinsicht von den Werkstoffen wie den Verfahren der Fertigung und vieles mehr. Auch die Anforderungen der forschenden Ingenieur:innen und die Perspektiven der produzierenden Gewerbe sind nicht unbedingt deckungsgleich, sie können sich aber über ihre jeweiligen Herausforderungen und Konditionen austauschen. Die verschiedenen Affiliationen der über 150 Referenten und Tagungsteilnehmer wurden während den Veranstaltungen also zur jeweiligen Erweiterung der Perspektive produktiv genutzt.
Auch die Organisation der Tagung nahm sich als eine Kooperation verschiedener Institutionen aus. Professor Andreas Wirtz versieht dabei als Inhaber einer Tandemprofessur schon selbst eine Scharnierposition zwischen der GFE und der Hochschule Schmalkalden, ist er doch bei beiden Institutionen zur gleichen Hälfte beschäftigt. An der Hochschule hat er die Professur für Fertigungstechnik und virtuelle Prozessgestaltung inne. Neben ihm waren auch Sandy Korb von der Hochschule Schmalkalden und Sabrina König sowie Petra Preiß von der GFE Teil des Organisationsteams, das zudem durch viele helfende Hände tatkräftig unterstützt wurde.
Die Kontakte zwischen der Hochschule und der GFE bestehen also wechselseitig. So übernimmt Dr. Florian Welzel, Geschäftsführer der GFE, regelmäßig einen Lehrauftrag an der Fakultät Maschinenbau im Sommersemester, wodurch sich die räumliche Nähe der beiden Institutionen in einen kooperativen Austausch übersetzt.
Eine Tagung lebt aber nicht nur von den Inhalten und dem wissenschaftlichen Austausch, sondern auch von dem rahmenden Programm und dem Kennenlernen der Umgebung: So wurde der erste Tagungsabend von einem Besuch der Viba-Nougatwelt und einem festlichen Essen am selben Ort abgerundet. Der zweite Tag fand seinen Ausklang in einem Besuch der GFE, wobei neben einer kulinarischen Empfehlung aus der Region eine Auswahl von Ergebnissen aus dem Bereich der Forschung und Entwicklung bei einer Besichtigung vorgestellt wurden.
Die Schmalkalder Werkzeugtagung bietet neben zahlreichen Fachvorträgen viele Möglichkeiten für einen offenen Austausch zwischen Industrie, Forschung und Hochschule. Dies eröffnet allen Teilnehmenden Potenziale sowohl für eine zielgerechte, anwendungsnahe Gestaltung gemeinsamer Forschungsprojekte als auch Chancen zum Forschungstransfer.
Am 18. und 19. September fand an der Hochschule Schmalkalden das erste Konsortialtreffen des KI-Hub Kunststoffverpackungen statt. Das Ziel dieser interdisziplinären Forschungskooperation besteht darin, die Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen effektiv zu erhöhen und deren Nutzung ressourcenschonend und im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft zu gestalten. Neben der Angewandten Kunststofftechnik der Hochschule Schmalkalden arbeiten hier gefördert unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 51 namhafte Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen. Als Projektbeteiligter organisierte zusammen Prof. Thomas Seul mit seinem Team der Angewandten Kunststofftechnik das Konsortialtreffen an der Hochschule.
Kunststoffe und Kreisläufe
Produkte und Verpackungen aus Kunststoff sind aus unseren Haushalten und aus unserem täglichen Gebrauch kaum mehr wegzudenken. Die Vorteile dieses Materials sind dabei vielfältig: Neben der Plastizität, die eine Vielfältigkeit der Form- und Farbgebung zulässt, sind hier die funktionalen und hygienischen Qualitäten einschlägig. Doch zugleich entstehen durch die Verbreitung des Kunststoffs und seine Langlebigkeit auch Probleme, wie wir an der zunehmenden Menge an Abfällen und gelben Säcken auch im Alltag merken. Dabei stellt sich die Herausforderung eines möglichst nachhaltigen Gebrauchs auf verschiedenen Ebenen, die zugleich unterschiedliche Problemlösungsansätze erfordern.
Eindrücke vom Empfang
Um die Ressource Kunststoff speziell in seiner Funktion als Verpackungsmaterial optimal und möglichst ökologieeffizient nutzen können, gilt es sowohl am Anfang wie dem Ende des Zyklus einer Kunststoffverpackung anzusetzen. Neben Aspekten des Materials und des Produktdesigns stehen die Bedingungen der Wiederaufbereitung im Fokus. Das übergeordnete Ziel besteht in der Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, die den Kunststoff vollumfänglich nutzt und keine Ressourcen verschwendet, also die Wertschöpfungskette von Kunststoffverpackungen so weit wie möglich zu schließen und die Produktion von Treibhausgasen zu minimieren. Um die Quote der Wiederverwertung zu maximieren muss neben der Aufbereitung der Kunststoffe bereits bei der Produktion der Verpackungsmaterialien angesetzt werden.
Innovationslabore
Kurz gefasst geht es dem KI-Hub einerseits darum, wie wir Kunststoffe ausgerichtet auf ihre Wiederverwertbarkeit als Verpackungen fertigen und verwenden müssen: Welcher Kunststoff lässt sich zum Beispiel wie am besten recyclen, welches Material eignet sich in welcher Dosierung für welches Produkt, und welche Anforderungen haben die Partner der Industrie? Andererseits geht es um die Frage der Optimierung des eigentlichen Recyclings, das von Organisation und Logistik der Abfallwirtschaft bis hin zur Sortierung und Verarbeitung mit Hilfe künstlicher Intelligenz reicht. Das KI-Hub selbst gliedert sich in die beiden Innovationslabore KIOpti-Pack (Design und Produktion) und K3I-Cycling (Kreislaufschließung) in zwei eigenständige Konsortien mit je eigenen Profilen und Forschungsschwerpunkten, die im KI-Hub kooperieren.
Im Innovationslabor KIOptiPack stand unter anderem die Frage im Fokus, wie Kunststoffe gefertigt werden können, die sich maximal weiternutzen lassen. Welche Qualitäten müssen Rezyklate, also wiederaufbereitete Kunststoffe, aufweisen, um für sensible Bereiche der Verpackung – wie zum Beispiel von Lebensmitteln – verwandt werden zu können? Was sind die Eigenschaften der Polymere und wie lassen sich diese im Hinblick auf die Wiederverwertung optimieren? Ein Problem unter vielen ist hierbei die Bedruckung von Folien: Welche Folgen haben die Aufbringung von Farben auf die Materialien und speziell für die Weiterverarbeitung? Aber auch die negativen Effekte spezifischer Geruchsbilder von Kunststoffen und Rezyklaten auf Konsument:innen und deren Akzeptanz stehen im Fokus. Kurzum ist das Ziel, den Anteil der Rezyklat-Polymere in Produkten zu erhöhen, wofür Fragen der Qualität und Quantität, der nötigen Reinheit und Kontamination für verschiedene Verwendungs- und Produktionsweisen zu klären sind.
Gespräche im Foyer
Das zweite Innovationslabor, K3I-Cycling, richtete den Blick auf das Ende des Kreislaufs, und damit im Sinne des Zirkels auf den reibungslosen Beginn der neuen Phase. Wie das andere Innovationslabor gliedert sich dieses Konsortium in verschiedene Themenfelder und Probleme, die in unterschiedlichen Paketen zusammengefasst werden. Ein Schwerpunkt liegt in der Sortierung und dessen Optimierung mit Hilfe künstlicher neuronaler Netzwerke. Der Vorteile dieser Technologien ist die sich selbst steuernde Erfassung, die flexibel auf Daten- und Materialflüsse reagiert. Ein Ziel ist es, die Prozesse nicht nur retrospektiv zu begleiten, sondern prospektiv valide Prognosen vornehmen zu können und so die Organisation der nachhaltigen Verarbeitung zu optimieren. Ein Ansatz ist hier das Deep Learning, dessen Potentiale sich anhand von Tools wie ChatGPT bereits ahnen lassen. Die Frage ist hier nicht nur, wo die Reise der technischen Entwicklung hingeht, sondern auch, wie sich die Potentiale effektiv in Anwendungen einbinden und nutzen lassen.
Das Konsortialtreffen
So kamen etwa 150 Teilnehmer, bestehend aus dem Konsortium, Beirat sowie Projektträger im spätsommerlichen Schmalkalden zusammen. Neben den Vorstellungen der Projekte, der Projektstände und einzelnen Vorträgen lag das Hauptaugenmerk auf verschiedenen Workshops, die zu unterschiedlichen Themen stattfanden. Die Teilnehmenden diskutierten hier Fragen unter anderem des effizienten Einsatzes von KI über den Daten- und Materialfluss bis hin zu Fragen ethischer und datenschutzzentrierter Horizonte. Ein Workshop untergliederte den Kreislauf der Wertschöpfungskette des Kunststoffs in verschiedene Stationen auf und wollte von den Teilnehmenden in Erfahrung bringen, wie sich die Übergänge zwischen den verschiedenen Stationen optimal ausnehmen würden bzw. wo die kritischen Punkte liegen. Auch wenn die Forschung hier noch am Anfang steht, ließe sich so ein ideales Optimum des Kreislaufs eruieren, dass die Reibungsverluste zwischen verschiedenen Stadien minimiert.
Disksussion im Workshop
Ein ebensolcher übergeordneter, rahmender Bezugspunkt wurde auch von einem Vortrag über die Kriterien der Nachhaltigkeitsbewertung und des Life Cycle aufgegriffen: Nachhaltigkeit ist ein normatives und komplexes Ziel, gegenüber dessen multiplen, teils divergierenden Ansprüchen sich Forschende bewusst verhalten müssen. Anders gesagt ist Nachhaltigkeit kein analytisches Konzept, dessen Definition schon im Sinne eines standardisierten Wertes feststünde, sondern ein offener Begriff, der auf verschiedenen Ebenen arbeitet und zugleich eine Positionierung der Bewertung und reflexiven Abwägung von den Akteuren verlangt. Um mit dem Begriff und den Anforderungen zwischen Ökologie, Ökonomie und gesellschaftlichem Kontext produktiv umgehen zu können, ist diese Rückversicherung und Zieljustierung sinnfällig.
Die Tagung diente neben der Sacharbeit auch dem Kennenlernen sowie der internen Vernetzung der verschiedenen beteiligten Personen. Gelegenheiten zum Austausch bot sich nicht nur in den Pausen und Workshops, sondern auch im Rahmen eines gemeinsamen Austauschs im Netzwerk in der Viba-Nougatwelt. Am Ende der Tagung wurden die Ergebnisse der Workshops präsentiert und die beiden Tage produktiv mit einigen Antworten und vielen neuen Fragen abgeschlossen.
Professor Andreas Wenzel hat die Professur für Technische Informatik/Eingebettete Systeme an der Fakultät Elektrotechnik der HSM inne. Zusammen mit seinem Team der Forschungsgruppe Eingebettete Diagnosesysteme sucht er nach praktischen Lösungen für unterschiedliche Anwendungsfelder und Fragestellungen, zum Beispiel: Welche Genauigkeit benötigt ein drahtloses Indoor-Lokalisierungssystem für den Einsatz für mobile Robotik-Anwendung? Wie lässt sich eine digitales Werkzeugbegleitbuch mit Bedienungsanleitung und Montagevideos an Werkzeugformen integrieren und im Gebrauch am besten nutzen? Welche KI-Methoden und Algorithmen sind für maschinelle Bewertung der Produktionsqualität aus Prozessdaten besonders geeignet?
Eine weitere Aufgabe, der sich das Team um Professor Wenzel in den Forschungsprojekten „Powermoduls“ und „WASABI“ in Kooperation mit der Fakultät für den Maschinenbau widmete, war die Optimierung von Spritzgussverfahren mit Hilfe eines integrierten Diagnosesystems: Lassen sich beim Herstellungsprozess bereits Daten erheben, welche die Güte des gefertigten Produkts prognostizieren können? Dies wäre ein Weg, bereits zu Beginn Fehlproduktionen zu vermeiden. Gerade weil in nahezu vollautomatisierten Produktionsprozessen weniger menschliche Handarbeit als vielmehr die Überwachung und Qualitätskontrolle der Produktion zur Optimierung gefragt ist, macht dieser Ansatz auch für die Industrie Sinn.
Zunächst galt es hierfür die messbaren Faktoren und Parameter im Prozess der Produktion auszumachen, welche für die Qualität des hergestellten Produkts entscheidend sind bzw. diese mittelbar beeinflussen. Neben dem Aspekt der sensiblen Detektion relevanter Sensordaten bestand die Herausforderung darin, die großen Mengen an Daten zu verarbeiten. Ein Mittel hierzu sind KI-unterstützte Verarbeitungsverfahren, also spezifischer Algorithmen, mit deren Hilfe die Daten geordnet, Muster erkannt und belastbare, relevante Informationen von anderen getrennt werden können. Zuletzt war die Ausgabe an die für die Produktion verantwortliche Person zu bedenken: Welche Informationen über die Entscheidung der KI mussten mitgeliefert werden, und in welchem Format? Welche Maßnahme kann der Prozessbediener im laufenden Prozess anpassen, um Fehlproduktionen zu vermeiden?
Die Tonalität von Klingen
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der vergangenen Jahre waren die Projekte „EMIL“ und „SMoSys“, wobei ersteres zusammen mit Prof. Beneke von der Fakultät Maschinenbau, Class und der Universität Kassel durchgeführt wurde. In SMoSys wurde dies dann im Verbund mit der Uni Kassel, der Uni Göttingen und Class weiterentwickelt. Hier waren für die technischen Lösungen eine Kombination aus Zugängen der klassischen Ingenieurswissenschaft und der Datenverarbeitung mit künstlichen neuronalen Netzwerken notwendig. Eines der größeren Verschleißteile von Landmaschinen wie Feldhäckslern sind die Klingen, mit denen die Agrargüter wie Mais geschnitten werden. Bedingt durch den Zeitdruck der Ernte müssen verschiedenen Wartungsprozesse auch kostenoptimiert gestaltet werden. Ein solcher Aspekt ist auch das Schleifen der Messer. Beide Forschungsvorhaben haben sowohl mit den Verschleiß, sowie mit der Prognose des Messerzustandes in realen Messumgebungen beschäftigt.
Fragen wie: „Wie lässt sich die Schärfe der Messer bestimmen?“ haben die beteiligten Forschungsgruppen natürlich auch beschäftigt. Hierfür wären allerlei technische Instrumente denkbar, die zwar eine Messung erlauben, aber zugleich mit einem hohen Aufwand verbunden wären. Im Rahmen des Projekts konnte zusätzlich ein praktikabler Ansatz, welcher auf bereits bestehende Gegebenheiten zurückgreift und in ihrem Aufwand minimal bleibt, erarbeitet werden. Professor Wenzel und sein Team griffen hierfür auf bereits integrierte Sensoren im Feldhäcksler zurück, welche die Schwingungen in der Nähe der Schneiden erfassen können. Wenn diese Schwingungen Auskunft über den Zustand der Klingen geben, könnte diese auch für die Entwicklung eines automatisiertes Monitoringsystems genutzt werden. Zuletzt war es wiederum die Aufgabe, aus den Daten eben jene belastbaren Signale und Muster zu extrahieren, an denen der Verschleiß der Klingen ablesbar war.
Professor Wenzel und sein Team befassen sich im Bereich der Landwirtschaft neben der Klingenschärfe der Feldhäcksler auch mit der Kartierung von Räumen für das autonome Fahren von landwirtschaftlichen Maschinen. Diese Aufgabe, die vor der Herausforderung einer eher rauen Umgebung steht, dient nicht zuletzt der optimalen Nutzung der natürlichen Ressourcen, zusätzlich werden auch Themenaspekte der Nachhaltigkeit behandelt. Für das Erkennen von Innovationspotenzialen und den Einsatz von KI-Algorithmen und eingebetteten Systemen sind intelligente Methoden sowie unterstützendes Know-how aus Sensorik, Prozessverständnis und praxisnahen Anwendungen für die Entwicklung von Lösungsansätzen für Industrie sowie Wissenschaft und Forschung von essentieller Bedeutung.