Hilfe auf unbekanntem Terrain. Wie Therapien gegen Post-Covid entwickelt werden

Hilfe auf unbekanntem Terrain. Wie Therapien gegen Post-Covid entwickelt werden

Zwar haben sich die massiven Beeinträchtigungen des Alltags merklich reduziert, die individuellen und gesellschaftlichen Belastungen in Folge der Corona-Pandemie sind aber noch immer spürbar. Das Post-Covid-Syndrom ist mittlerweile als Krankheitsbild anerkannt, und die Verbesserung von Diagnose, Prophylaxe und Therapie bilden eine Triebfeder medizinischer Forschung. Professor Thomas Urban entwickelte zusammen mit dem Post-Covid-Zentrum in Senftenberg ein spezifisches Therapie-Konzept für Post-Covid-19-Patient:Innen und stellte in einem Bericht zu seinem zurückliegenden Forschungssemester seine Ansätze, Vorgehensweise und einige Ergebnisse vor, wobei dies auch zentrale Themen seiner zweiten Habilitationsschrift sind.

Die angewandte Wissenschaft im medizinischen Bereich hatte sich bereits zu Anfang der Pandemie durch eine immens schnelle Entwicklung und Bereitstellung verschiedener wirksamer Impfstoffe und deren kontinuierliche Anpassung an unterschiedliche Varianten hervorgetan. Ohne diese Errungenschaften der pharmazeutischen Einrichtungen und Unternehmen in Forschung und Produktion wären die Folgewirkungen von Corona gewiss weit drastischer und langwieriger gewesen. Die Reaktion auf die Pandemie macht das innovative Potential anwendungsnaher, medizinischer Forschung sowie der Health Tech deutlich, die modernste Technologien mit einem Fokus auf das physische und psychische Wohl von Patient:Innen verbindet.

Forschung in Progress

Die Forschung in diesem Bereich ist aber keineswegs abgeschlossen: Einerseits gibt es immer neue Varianten des Virus und damit die Notwendigkeit, die Impfstoffe anzupassen, um vulnerable Gruppen weiter effektiv zu schützen. Andererseits muss sich die medizinische Entwicklung mit den physischen und psychischen Auswirkungen der Pandemie befassen. Wie bei der Entwicklung von Impfstoffen stellt dabei die Neuartigkeit des Erregers die Forschung vor Herausforderungen, muss es doch zunächst darum gehen, das Krankheitsbild selbst zu verstehen und seine verschiedenartigen Ausprägungen zu charakterisieren. An diese Grundlegung können dann Überlegungen zu therapeutischen Maßnahmen anschließen.

Dem Post-Covid-Syndrom kommt als nunmehr anerkanntem Krankheitsbild breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu, gerade weil die Spätfolgen einer Corona-Erkrankung nicht wenige Menschen betreffen und in ihrem Alltag belasten. Auch wenn die beiden Phänomene umgangssprachlich synonym verwandt werden, bezeichnet Long-Covid die anhaltenden Beeinträchtigungen mehr als vier Wochen bis zu drei Monaten nach der Infektion, und Post-Covid den anschließenden Zeitraum.[1]

Vergleichbar mit anderen Infektionskrankheiten können aus einer Corona-Infektion (SARS-CoV-2) verschiedenartige Langzeitfolgen resultieren, die Beeinträchtigungen der Organsysteme wie Herz, Lunge, Gehirn und u.a. Nebenorgane über einen längeren Zeitraum umfassen. Langzeit meint hier anhaltenden Beschwerden zwölf Wochen nach der eigentlichen Infektion, wobei die Häufigkeit des Auftretens zwischen 10% und 20% schwankt. Als verursachende Faktoren werden aktuell eine Überaktivierung des Immunsystems und eine Thrombusbildung im Mikrogefäßsystem diskutiert.[2] Die Folgen für die Menschen sind wiederum breitgefächert und reichen von Erschöpfungszuständen (Fatigue[3]) über Herz-/Kreislaufprobleme und Gleichgewichtsstörungen bis hin zu Nervenleiden und anhaltendem Schmerz. Diese Varianz legt die Komplexität des Syndroms nahe, was einerseits seine medizinische Beschreibung sowie ursächliche Verortung und andererseits die therapeutischen Ansätze anbetrifft, wobei hier verschiedene Disziplinen der Medizin kooperieren müssen. Das Ziel der Therapie ist neben der Symptomlinderung die Vermeidung der Verstetigung der Leiden und Befähigung der Betroffenen zur Teilhabe am Privat- und Berufsleben.

Der Blended-Therapy-Ansatz

Für diese Multidisziplinarität eignet sich ein innovativer Therapieansatz, den Professor Urban im Rahmen seines Forschungssemester analysierte und den er zugleich an einem Corona-Therapie-Zentrum empirisch untersuchen konnte. Der gewählte Zugang nennt sich Blended-Therapy und verschränkt klassisch-analoge mit digitalen Therapieformen. Durch die digitale Ergänzung wird eine flexiblere, räumlich wie zeitlich ungebundenere Behandlung möglich, die auch kontinuierliche therapeutische Formen und eine individuelle Umsetzung ärztlicher Empfehlungen zulässt. Zum Beispiel erlauben mobile Apps und Smart-Watches eine automatisierte, engmaschige (Selbst-)Kontrolle sowie spezielle Monitor-Kamera-Systeme überwachte Übungen in der Häuslichkeit und deren Kontrolle in Echtzeit. Die Forschung an diesen Therapieansätzen ist auch deswegen geboten, weil es derzeit kaum spezifische sektorübergreifende Konzepte gibt und bislang auch kein Therapieansatz bei Post-Covid als Standard empfohlen wird, der sich den Ursachen der Leiden im Unterschied zu symptomlinderungsorientierten Ansätzen annimmt und der nach empirischen Kriterien überprüft worden wäre.

Orientiert an den S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und dem Post-COVID-Versorgungskonzept der LMU wurde eine Therapie entwickelt, die die spezifischen Bedarfe von Post-Covid-Betroffenen einerseits berücksichtigt, aber andererseits den Patient:Innen in gewissem Maße Belastungen zumutet. Diese waren in den bisherigen Post-Corona-Therapien eher unüblich.[4] Eine Folge des beeinträchtigten Energiehaushalts sind mögliche spontane Zusammenbrüche (postexertionelle Malaise), die Patient:Innen nicht voraussehen konnten und die den Rekonvaleszenzprozess immens zurückwarfen.[5] Zugleich haben Therapiemethoden, die Formen der Belastung nutzen und Überanstrengungen durch kontrollierte Bedingungen vermeiden, durchaus Erfolge vorzuweisen. Das individuelle Energiemanagement und die Minimierung von Überlastung waren in den Therapieansätzen wichtige Faktoren.

Die Blended-Therapy verknüpft die klassische Behandlung in Präsenz mit digitalen Interventionsinstrumenten, womit sich die Möglichkeit zur Echtzeitanalyse der Belastung, des Leistungsvermögens und der Beanspruchung des energetischen Haushalts der Patient:Innen während der Übungen (auch in der Häuslichkeit) bietet. Anstatt einer umfassenden Schonung wurden sensomotorische Einschränkungen und Fatigue mit einem Gleichgewichtstraining und motorischen Übungstherapien begegnet. Anschließend wurde eine auf Fatigue ausgelegte kognitive Verhaltenstherapie umgesetzt, in deren Fokus zudem die sekundären psychosomatischen Symptome sowie die Erfassung der subjektiven Wirksamkeit der Trainingstherapie standen.

Studie und Auswertung

Die begleitende Studie fand in einem dreijährigen Zeitraum am dem Corona-Therapie-Zentrum Lausitz (Senftenberg) statt. Neben den Veränderungen der Leitsymptome mussten auch allgemeine Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit sowie sekundäre Effekte beachtet werden. Der Studie standen 407 Patient:Innen zur Verfügung, die bestimmte Kriterien erfüllten. Die Trainings fanden in Präsenz ebenso statt wie bei den Patient:Innen zu Hause, wobei so die erforderliche Übungsdichte erreicht werden konnte. Die zweite Phase wurde von einer Befragungsstudie begleitet, um hieraus wichtige Erkenntnisse über den Nutzen therapeutischer Maßnahmen im Rahmen der Gesundheitsversorgung zu gewinnen.

Die Evaluation der Therapie bemaß sich an zwei Kriterien, den Post-Covid-Leitsymptomen und den motorischen Fatigability-Parametern, wobei letztere einen Indikator für die Beweglichkeit bereitstellen. Generell ließen sich positive Effekte sowohl in Hinsicht der Leitsymptome als auch der motorischen und kognitiven Fatigability-Parameter ausmachen.[6] Am Ende konnten also ebenso positive therapeutische Effekte festgehalten werden sowie der Nutzen des Blended-Therapy-Ansatzes, der sich zudem in das bestehende Versorgungssystem integrieren lässt. Die Therapie machte es den Betroffenen nicht zuletzt möglich, mit ihrem verringerten Energiehaushalt umgehen zu lernen, und zugleich die verbliebenen Kapazitäten effektiv zu nutzen. Um den Patient:Innen wieder die Chance zur aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen oder beruflichen Leben zu bieten, ist dies ein erster, wichtiger Schritt.

Die Habilitationsschrift mit dem Titel „, Sektorenübergreifende beanspruchungsgesteuerte multimodale Blended Therapy für Post-COVID-19-Patienten mit Fatigue und sensomotorischer Instabilität“ hat Professor Urban im Bereich Versorgungswissenschaft des Instituts für Medizintechnologie an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg eingereicht.


[1] Vgl. Urban 2025, Sektorenübergreifende beanspruchungsgesteuerte multimodale Blended Therapy für Post-COVID-19-Patienten mit Fatigue und sensomotorischer Instabilität, S. 10 – 24, (Manuskript) und https://www.kvberlin.de/fuer-praxen/aktuelles/themen/thema/long-covid.

[2] Vgl. Urban, Thomas et al., Fatigue und sensomotorische Instabilität. Neurologisch kontrollierte Konversion von Post-COVID-19-Patienten, in: Nervenarzt (2024:95, S. 1104 – 1115), S. 1107

[3] „Die Fatigue wird durch eine subjektiv oft stark einschränkende, zu den vorausgehenden Anstrengungen unverhältnismäßige, durch Schlaf nicht aufzuhebende körperliche (insb. motorische), kognitive und/oder psychische Erschöpfung charakterisiert.“ (Vgl. ebd., S. 1106) Ein weiteres Merkmal ist das unabsehbare Auftreten der Erschöpfung, was wiederum den individuellen Energiehaushalt anbetrifft.

[4] Bei energetischer Verarmung, Fatigue und ähnlichen Krankheitsbildern wurde eher die Schonung der Betroffenen empfohlen.

[5] Die Beanspruchungsreaktionen können wiederum somatischer, kognitiver und auch emotionaler Natur sein. Ein Problem bei der Vermeidung der Crashs ist, dass es keine Verhältnismäßigkeit zwischen faktischer Belastung und der Auslösung der Zusammenbrüche gibt. Die technischen Möglichkeiten erlauben eine Belastungssteuerung in Echtzeit, was wiederum hilft, Zusammenbrüche zu vermeiden. (Vgl. ebd., S.1110)

[6] Ohne auf die Details der Auswertung hier weiter einzugehen, soll doch auf eine Problematik hingewiesen werden, an der wiederum die Herausforderungen therapeutischer Ansätze deutlich wird. So kam es bei Frauen zu einer Verschlechterung der sekundären psychosomatischen Symptome: Eine Erklärung hierfür ist der schnellere Verlauf der Therapie bei Männern und die sich daraus ergebende längere Beanspruchung bei Frauen, eine Selbstüberschätzung und ein ausweichendes Verhalten speziell junger Frauen. Therapien müssen diese Besonderheiten verstehen und reflexiv in ihren Behandlungen berücksichtigen, um die anderweitigen Erfolge nicht zu gefährden.

Tickt die GenZ anders? Eine empirische Überprüfung generationaler Unterschiede

Tickt die GenZ anders? Eine empirische Überprüfung generationaler Unterschiede

Seit ein paar Jahren mehren sich journalistische Beiträge, in denen vermeintliche Defizite der GenZ, von allgemeinen Wertvorstellungen bis hin zur spezifischen Arbeitsmoral, aufgegriffen werden. Personen dieser Alterskohorte, ungefähr die Geburtsjahre von 1995 bis 2010, werden Bequemlichkeit, Freizeitorientierung und unter anderem fehlender Ehrgeiz vorgeworfen. Der Frage, wie sich die Einstellungen der GenZ zur Arbeit und ihre Ansprüche an ihre Arbeitsverhältnisse von jenen vorheriger Generationen unterscheiden und ob diese Abweichungen einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten, ist eine offene Frage der Forschung. Professorin Katharina Sachse ist dieser in Zusammenarbeit mit Claus-Peter Heinrich, Silke F. Heiss und Sandra Sülzenbrück im Rahmen einer jüngst veröffentlichten Studie mit dem Titel „Arbeitgeberattraktivität aus Sicht der Generationen. Einigkeit statt Unterschiede“ nachgegangen.

Der Begriff „Generation“ ist unscharf und wird in Wissenschaft und Alltag unterschiedlich genutzt. Viele Menschen fühlen sich zwar einer Generation zugehörig, doch bleibt unklar, wodurch diese Einheit eigentlich zusammengehalten wird.

Der Jugendforscher Jürgen Zinnecker unterscheidet drei Perspektiven:

  1. Geburtskohorten – Menschen, die im gleichen Zeitraum geboren wurden.
  2. Lebensabschnitte – etwa Großeltern, Eltern und Kinder, die durch unterschiedliche Lebenssituationen geprägt sind.
  3. Zeitgeschichtliche Ereignisse – prägende Momente wie 9/11 oder die Einführung des iPhones.

Alle drei Ansätze zeigen, dass „Generation“ Unterschiedliches meinen kann. Letztlich sollte man den Generationenbegriff nicht als feste Grenze verstehen, sondern als Hilfsmittel, um Veränderungen zwischen Gruppen sichtbar zu machen.

Wichtig ist, dass verschiedene Disziplinen den Begriff unterschiedlich verwenden: Pädagogik, Soziologie oder Geschichtswissenschaft setzen jeweils eigene Akzente. Nützlich bleibt der Begriff vor allem, um Selbst- und Fremdverortungen von Menschen in ihrer Zeit zu beschreiben. In den Personalabteilungen von Unternehmen werden mitunter Generationenzuordnungen genutzt, um spezifische Personalmaßnahmen daran auszurichten. Die Wirtschaftspsychologie beleuchtet wissenschaftlich, wie Mitarbeitende gewonnen und gehalten werden können, und untersucht dabei auch, ob sich die oft diskutierten Unterschiede zwischen Generationen – etwa bei der GenZ – tatsächlich nachweisen lassen.

GenZ: Zwischen Krisen und Kritik

Und schon sind wir bei der GenZ, deren Jugend bzw. junges Erwachsenenleben vor allem von Krisen geprägt war, angefangen bei der Euro-Krise und der „Flüchtlings“-Krise bis zur Pandemie und ihren Folgen und schließlich der Ukraine-„Krise“. (Vgl. Katharina Sache et al., Arbeitgeberattraktivität aus Sicht der Generationen. Einigkeit statt Unterschiede, Berlin 2025, S.12) Die zunehmende Digitalisierung des Alltags, des Soziallebens und der Kommunikation sollte sich zudem auf Weltverständnis und -verhältnis dieser Generation auswirken. Auch wenn also die Kindheit und Jugend der GenZ von besonderen Umständen geprägt wurde und bestimmte Effekte auf diese Generation mithin plausibel sind, geht die eingangs notierte Kritik an der Arbeitsmoral dieser Generation weniger von weichen Einstellungsvarianzen als von festen, greifbaren Unterschieden im Wertesystem der GenZ aus, die diese von anderen Kohorten trenne. Der Generationsbegriff dient hier nicht im Sinne einer Auslotung von weichen Einstellungsunterschieden, sondern als Zuschreibung fassbarer, übergreifender Wesensmerkmale einer Altersgruppe.

Die Kritik zielt vornehmlich auf den Themenbereich der Arbeit, und lässt sich in die individuelle Arbeitsmoral und die Ansprüche der betroffenen Personen an ihre Arbeitgeber unterscheiden. Als Beispiele: Die WirtschaftsWoche titelt, die GenZ wäre lieber arbeitslos als unglücklich. Deutschlandfunk Nova konstatiert eine hohe Bereitschaft zum Arbeitsstellen- bzw. Arbeitgeberwechsel, RP online fragt nach einer allzu hohen Sensibilität im Berufsleben. Im Presseportal ist von immensen Gehaltsvorstellungen der GenZ zu lesen, der Focus sieht eine mangelnde Bereitschaft zu Überstunden. Prominent äußerte der ZDF-Moderator Lanz eine Kritik an den postmateriellen Werten der GenZ und ihrer Suche nach der idealen Work-Life-Balance. Neben Artikeln und Büchern über die GenZ gibt es zahlreiche Videos auf Plattformen wie YouTube. Abseits von kritischen Impulsen stehen oftmals Beratungsangebote an Unternehmen und Personalverantwortliche im Fokus.

Die evidenzbasierte Überprüfung

Nicht nur stellt sich die Frage, ob diese Beschreibungen der Generation Z überhaupt zutreffen, sondern auch, ob die normativen Veränderungen zum Beispiel der Anspruchshaltungen einer Work-Life-Balance ein auf diese Generation begrenzter Effekt sind, oder doch eher eine alle Generationen umfassende sozio-kulturelle Verschiebung im Sinne des Zeitgeistes markieren. In einer empirischen Studie ist die Forschungsgruppe um Katharina Sachse der Frage nachgegangen, ob die behaupteten Unterschiede zwischen den Generationen einer Überprüfung standhalten.

Gemäß einer populären Unterscheidung der Generationen in Kohorten lassen sich Baby Boomer, die Generation X, Y (Millenials) und Z trennen und durch mehr oder weniger grobe Zuschreibungen charakterisieren. Aus Sicht von Unternehmen, die sich in einem immer umkämpfteren Wettbewerb um Fachkräfte wähnen, sind diese Profile von Bedeutung, lassen sich doch vermeintlich durch ihre Berücksichtigung Rekrutierungschancen maximieren und Fluktuationsrisiken minimieren. Aus der Vermutung, Sicherheit wäre für die Motivation älterer Mitarbeitender, Selbstverwirklichung im Beruf für jene jüngerer Generationen wichtig, könnten maßgeschneiderte Ausschreibungsprofile und Jobkonditionen generiert werden. (Vgl. Sachse et al. 2025, S.09f.)

Die Frage ist nun, ob die grundlegende These einer greifbaren Unterschiedlichkeit der Generationen und ihrer Gewichtung von Faktoren der Arbeitgeberattraktivität überhaupt zutrifft. Die Forschungslage zur GenZ ist noch dünn, weil es allein deshalb noch kaum belastbare Studien geben kann, weil die GenZ erst in jüngerer Zeit den Arbeitsmarkt betritt und Erfahrungen sammeln kann. Internationale Studien, die ihren Fokus generell auf Generationenunterschiede legen, haben bisher keine gravierenden Unterschiede zwischen den Generationen feststellen können. (Vgl. Sachse et al. 2025, S. 17f.)

Das Ziel der Studie von Professorin Sachse und ihrem Forschungsteam war einerseits, eine empirische Studie am Beispiel Deutschlands zu liefern, und zudem einen Fokus auf die Einstellungen gegenüber den Arbeitgebern bereitzustellen.[1] Die Auswertung der Umfrage konnte auf Daten von 1133 berufstätigen Personen zurückgreifen, wobei alle Generationen quantitativ ungefähr gleich vertreten waren.

Die Befragung ging in 68 Items entlang von 19 Dimensionen unterschiedlichen Arbeitgeberattraktivitätsfaktoren nach. Eine regressionsanalytische Auswertung der Daten ergab, dass sowohl instrumentelle (Einkommen, Sicherheit, Benefits u.a.) als auch symbolische Merkmale (soziale und altruistische Werte sowie Status, also Prestige und Autorität u.a.) für die Arbeitgeberattraktivität relevant sind. Die Gewichtung der Faktoren unterscheidet sich dabei nicht bedeutsam zwischen den Generationen. Vor allem bei den wichtigsten Merkmalen wie Identifikation mit dem Arbeitgeber, Führung und Arbeitsaufgaben gibt es keine Unterschiede zwischen den Generationen – für alle sind diese gleich relevant. Kurzum lässt sich der Bruch zwischen den Generationen und eine distinkte Eigenart der GenZ in ihren Arbeitswerten und Erwartungen empirisch nicht bestätigen.

Fazit: Eine unnötige Polarisierung

Das heißt nicht, dass sich die Attraktivitätsfaktoren über die Zeit nicht verändern würden. Hierfür scheint aber eher ein Zeitgeisteffekt ausschlaggebend, der sui generis alle Generationen anbetrifft. So stellte eine andere Untersuchung fest, dass sich die Präferenzen zur Länge der Arbeitszeit im Allgemeinen geändert haben – auch die Babyboomer achten heute mehr auf Work-Life-Balance als früher.

Ein Zuschnitt der Rekrutierung auf die Generation Z ist demgemäß unnötig. Mitarbeitenden in allen Berufslebensphasen – vom Jobeinstieg bis zum Übergang in die Rentenzeit – sollten Arbeitsbedingungen geboten werden, die zu ihren Bedürfnissen passen. Dazu gehören eine gute Führung, sinnvolle Tätigkeiten, angemessene Entlohnung sowie Arbeitsaufgaben, bei denen die eigenen Kompetenzen genutzt und erweitert werden können.

Es lässt sich festhalten, dass es zwar einzelne generationale Varianzen gibt, diese sind aber nur minimal. Unter anderem die Veränderungen des Zeitgeistes und die genuinen Effekte von Lebensabschnitten sind bei Vergleichen von Generationen stets mitzubedenken. Die GenZ befindet sich am Beginn ihres Berufslebens in einer Orientierungsphase, in der sie verschiedene Erfahrungen sammeln muss, um den passenden Arbeitgeber und Berufsweg zu finden[2]. Allein dadurch lassen sich Unterschiede zu den Mitgliedern älterer Generationen am Arbeitsmarkt erklären.

Dem Begriff der Generation fehlt es neben einer konzeptionellen Schärfe auch an einem empirischen Profil, das sich anhand konkreter Beobachtung bestätigen ließe: Zwar lassen sich zwischen Generationen einzelne Unterschiede auch in der Attraktivität der Arbeitgeberfaktoren und Arbeitswerte ausmachen, diese sind aber zu gering, um als Scheidelinie zwischen den Generationen dienen zu können. Die Arbeitswerte der Generationen liegen trotz einer gewissen Varianz nahe beieinander. Kurzum: Die GenZ tickt nicht anders.


[1] Die Anlage von Studien hat notwendigerweise Auswirkungen auf die eröffnete Perspektive: In einer Querschnittsstudie, in der alle Personen zu einem Zeitpunkt befragt werden, können zwar alle Generationen abgebildet werden, gleichzeitig kann die Generation nicht vom Lebensabschnitt getrennt werden. Zum Befragungszeitpunkt befinden sich alle Mitglieder einer Generation auch im selben Alter und damit in derselben Lebensphase. Eventuell identifizierte Unterschiede zwischen den Generationen können somit auch durch Alters- bzw. Lebensphaseneffekte zustande kommen.

[2] Es lassen sich die Phasen der Exploration, der Etablierung, der Erhaltung und des Rückzugs trennen, wobei jede eigenen Logiken und Präferenzen unterworfen ist.  (Vg. Sachse et al. 2025, S. 16)